Lotty Rosenfeld: Esta línea es mi arma.
Overbeck-Gesellschaft – Kunstverein Lübeck, Koberg 8, Lübeck.
Donnerstag bis Sonntag 12.00 bis 17.00 Uhr.
21. September bis 25. Januar 2026.
[— artline>Nord] Eine Linie, eine Straße, eine Künstlerin und die Frage: Wie kann eine Linie Widerstand bedeuten? „Esta línea es mi arma“ – „Diese Linie ist meine Waffe“ lautet der Titel der Ausstellung in der Overbeck-Gesellschaft in Lübeck, die dort bis Ende Januar 2026 zu sehen ist. Es ist die erste große Werkschau der 2020 verstorbenen Künstlerin Lotty Rosenfeld im deutschsprachigen Raum. Rosenfeld ist eine der bedeutendsten chilenischen und feministischen Künstlerinnen ihrer Generation und auch als Gründungsmitglied des CADA (Colectivo Acciones de Arte) bekannt. Ihr eigenes Leben als auch das Ihrer Familie war dabei stets von Flucht und dem Kampf ums Überleben geprägt. Ihr Vater verließ 1935 Nazi-Deutschland und suchte in Lateinamerika Sicherheit, die Großeltern überlebten in Sibirien und kamen nach dem Krieg nach Chile. Im Exil baute die Familie in Santiago ein neues Leben auf.
Berühmt wurde Rosenfeld durch ihr vielfältiges Schaffen in den Bereichen Druckgrafik, Video und ortsspezifische Installation. Mit diesen Medien entwickelte sie politische Gesten, die die Militarisierung des Alltags inmitten der Augusto Pinochet Diktatur in Chile infrage stellten und den unsichtbaren Code im Zentrum der weltweiten marktbasierten Ökonomien offenlegten. Dabei zieht sich die Linie als eine der wichtigsten Formen im Werk durch ihre Praxis.
Ihre wohl berühmteste Arbeit wurde 2007 auf der Documenta 11 in Kassel ausgestellt, doch noch vor der Eröffnung von der Stadtreinigung zerstört. Eben diese Werkserie “Una Milla de cruces sobre el pavimento” (dt. “Eine Meile Kreuze auf dem Asphalt”) wurde erstmals 1979 in Santiago realisiert. Das Video mit selbigen Titel zeigt Rosenfeld auf einer Straße in Jeans und Sandalen, wie sie langsam weiße Stoffstreifen auf dem Asphalt ausrollt und die weißen Fahrbahnmarkierungen, die die Spuren trennen, langsam in Kreuze, Pluszeichen oder den Buchstaben X verwandelt. Obwohl Rosenfeld sich mit dieser Performance in Gefahr begab und sie speziell für diese Arbeit hätte bestraft werden können, die sich gegen die Unterdrückung durch den chilenischen Diktator Pinochet richtete, war ihre Handlung bewusst ephemer: Ein treffendes Bild dafür, wie es ist, in hoffnungslosen Zeiten Hoffnung zu fassen. Man handelt, beobachtet, wie das Werk vergeht, und beginnt von Neuem – es ist das fortwährende Tun selbst, das Hoffnung trägt. Die von Paula Kommoss kuratierte Ausstellung lenkt den Blick erstmals auf eine Fotografie, die noch vor der Performance die Linie zeigt und eröffnet damit eine neue Perspektive auf den Beginn dieser ikonischen Werkserie.







