Nikima Jagudajev: Basically. Re-Schooling als künstlerische Praxis

Nikima Jagudajev, Basically, 2020, Bergen Kunsthall, Bergen © Video von Saye Oyama, Bildbearbeitung von Salomon Leonard Poutsma
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17. März 2025
Text: Dietrich Roeschmann

Nikima Jagudajev: Basically.
Westfälischer Kunstverein, Rothenburg 30, Münster.
Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 22. März bis 27. April 2025.

www.westfaelischer-kunstverein.de

Nikima Jagudajev, Basically, 2022, als Teil von „Protozone 6: Are you coming?“, Shedhalle Zürich © Laila Kaletta
Nikima Jagudajev, Basically, 2023 Dansand!, Kopenhagen © Tine Declerck
Nikima Jagudajev, Basically, 2023, Enter Art Fair, Kopenhagen © Julie Nymann
Nikima Jagudajev, Basically, 2024, Accelerator, Stockholm © Jean-Baptiste Béranger
Nikima Jagudajev, Basically at mumok, 2024, mumok, Wien © Zoe Field / mumok

[—artline Nord] Die Lehrpläne der Schulen sind dicht befüllt und eng getaktet. Und doch steht nicht alles darin, was Schüler*innen an der Schule so lernen. Es fehlen die kreativsten und intimsten Erfahrungen während der Schulzeit: Flirten zum Beispiel, heimlich Zettel weiterreichen, selbstorganisierte Spiele, welche die Monotonie des Unterrichts aufbrechen. Künstler:in und Choreograf:in Nikima Jagujadev hat ein Faible für derartig unbeschwertes Treiben, das sich den Regeln und Strukturen des Erziehungssystems entzieht und dennoch nicht ohne Regeln ist. Jagujadev ließ sich 2022 davon für das fortlaufende Langzeitprojekt „Basically“ inspirieren, das nach Stationen in der Bergen Kunsthall, WIELS in Brüssel, der Zürcher Shedhalle und dem mumok in Wien nun im Westfälischen Kunstverein in Münster seine Deutschland-Premiere hat.

Es ist die erste Ausstellung im Programm der neuen Direktorin Theresa Roessler. Doch Ausstellung trifft die Sache nicht wirklich, denn tatsächlich ist „Basically“ eher ein wandelbarer Zustand, der je nach Ort, an dem er entsteht, und je nach den Menschen, die daran beteiligt sind, seine Konsitenz ändert. „,Basically’ ist eine Performance“, schreibt Roessler, „ist zugleich Ausstellung, Choreografie, Musikstudio, Nähwerkstatt, Schulhof bzw. das, was es erst noch werden wird“. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, schlägt Jagujadev vor, durch eine Praxis des „Re-Schoolings“ wieder Zugang zu finden zu verschütteten Instrumenten und Weisen der Gemeinschaftsbildung.

Bei „Basically“ gehören dazu neben dem Abhängen, Kennenlernen und Reden mit anderen oft Gitarren, die den Raum mit Sound fluten, in akustischer Folkdiktion oder dröhend, pfeifend, in abhackten Riffs, zu denen sich Körper bewegen, einzeln und in kleinen Gruppen zwischen dem Publikum verteilt, das so Teil der interdisziplinären Superstruktur wird. Im Zentrum von „Basically“ steht die Frage nach der Funktion von Regeln. Wir halten uns an soziale Codes, weil wir wissen, dass sie Gemeinschaft ermöglichen. Doch warum und wie kann Gemeinschaft trotzdem weiter funktionieren, wenn wir die Regeln unterlaufen? Man könnte Nikima Jagujadevs Projekt als ein offenes Angebot verstehen, die Spannung zwischen institutioneller Ordnung und kreativer Unordnung, zwischen Aktion und Interaktion, Regulierung und Entgrenzung produktiv zu machen für neue, sich ständig wandelnde Formen des Zusammenseins. In der Ausstellung im Westfälischen Kunstverein werden dafür vier Perfomer:innen mit den Besuchenden in Beziehung treten.