art Karlsruhe 2025. Gut gelaunt, verjüngt und zuversichtlich

Carlo Krone, schuche II, 2024, Courtesy the artist and Galerie Thomas Fuchs, Stuttgart
Review > Kunstmesse
21. Februar 2025
Text: Dietrich Roeschmann

art Karlsruhe 2025.
Messe für Klassische Moderne und Gegenwartskunst

Messe Karlsruhe, Messeallee 1, Rheinstetten.
Donnerstag bis Samstag 11.0 bis 19.00 Uhr, Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 23. Februar 2025.

Shuttle-Service: Halbstündlich vom und zum Hautptbahnhof Karlsruhe.
Weitere Informationen unter www.art-karlsruhe.de

Lunita-July Dorn, Ich bleib noch einen Traum lang, 2024, Courtesy the artist and Galerie Judith Andreae, Bonn
Leo Schick, aus: Vor die Hunde, 2024, Courtesy the artist, zu sehen im academy:square
He Wenhao, Tiger und Fuchs, 2024, Courtesy the artists, zu sehen im academy:square
Sabine K Braun, Rasterschaum, 2024, Courtesy the artist and Galerie Claeys, Foto: Jens Lyncker
Matthias Dämpfle, Kopf mit Selbstmodell, 2024, Courtesy the artist, Installationsansicht Galerie Marek Kralewski auf der art Karlsruhe
Heinz Breloh, Collage, 1997, Estate Heinz Breloh, Courtesy Galerie Rehbein, Köln
Steffen Lenk, Untitled, 2025, Courtesy the artist and Galerie Anke Schmidt, Köln

Bevor die art Karlsruhe am Mittwochvormittag ihre Tore für Sammler, V.I.P.s und geladene Gäste öffnete, gossen Mitarbeitende der LBBW-Kunstsammlung in Halle 3 noch Wasser in die Vasen der Installation von Tobias Rehbergers. Die opulenten Blumensträuße, die der Künstler darin als permanent frische Porträts befreundeter Menschen arrangiert, liefern ein schönes Bild für das, was Kunst sowohl verlangt als auch verspricht: absolute Hingabe und üppig wucherndes Glück.

Das scheinen sich in diesem Jahr auch viele der 187 teilnehmenden Galerie zu Herzen genommen zu haben. Als ob der Frühling hier schon ausgebrochen wäre, poppt überall Florales auf – von Ida Kerkovius lichten „Feuerlilien und Tigerlilien“ von 1968 (bei Rotermund, Hamburg) bis zu den wunderbar stilisierten Pflanzen in Nadine Kolodzieys 34-teiliger Augmented-Reality-Installation „Quelle“, die im Foyer der Messe an den Ursprung des digitalen, anonymen Lebens führt (bei ASPN, Leipzig).

Andreas Pucher von der Galerie Thomas Fuchs hat an diesem Mittag nicht viel Zeit. Gerade hat er ein riesiges, sehr buntes Gemälde von Carlo Krone im kleinen Lager seiner Koje als „reserviert“ verstaut, schon steht ein Paar neben ihm und will Informationen über einen der anderen jungen Maler aus dem Programm. Die Messe ist zu diesem Zeitpunkt noch keine zwei Stunden geöffnet, doch an den Wänden von Puchers Stand sind nahezu alle Bilder verkauft. „Das kam unerwartet und macht mich sehr glücklich“, sagt er, „erst recht, wenn man bedenkt, dass die Zeiten momentan alles andere als rosig sind.“

Doch es sind nicht nur die gut gelaunten Bilder von Newcomern wie Carlo Krone, Ulrich Okujeni (bei PAW Gallery, Karlsruhe), Lunita-July Dorn (bei Judith Andreae, Bonn) oder der diesjährigen art Karlsruhe-Preiträgerin Etsu Egami (bei Kronfeld, Berlin), die gegenwärtig als Stimmungsaufheller wirken. Für die Ausstellenden der aktuellen Messe-Ausgabe hat sich der Blick in die Zukunft auch durch die Anfang 2025 wieder in Kraft gesetzte Reduzierung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent entspannt. Als einziges Kulturgut war Kunst, die in der Galerie gehandelt wird, seit 2012 Industrieprodukten und kommerziellen Dienstleistungen gleichgestellt, was den Galerien faktisch ihre kulturelle Rolle in der Kunstvermittlung und bei der Künstlerförderung absprach.

Und dann gibt es noch einen dritten – vermutlich den wichtigsten – Grund für die spürbar gute Stimmung in den Messehallen. 2024 hatten Olga Blaß und Kristian Jarmuschek die Leitung der art Karlsruhe von Gründer-Urgestein Ewald Schrade übernommen. Die Radikalkur nach dem Motto „Qualität vor Quantität“, die das Duo der größten Kunstmesse des Südwestens vor einem Jahr verordnete, zeigt jetzt in vielen Bereichen Wirkung. Der Parcours durch die Messehallen ist übersichtlich, die Nachbarschaften der Galerien sind plausibel, krasse Niveau-Unterschiede auf engstem Raum nur noch selten.

Neu ist diesmal ein ganzer Block mit renommierten Galerien aus dem Rheinland, darunter Anke Schmidt aus Köln, die Arbeiten des New Yorker Malers David Reed mit Bildern von Steffen Lenk, Absolvent der einstigen Außenstelle der Akademie Karlsruhe, zusammenbringt. Petra Rinck aus Düsseldorf zeigt eine sehenswerte Neo-Geo-Wandinstallation von Lothar Götz, die Kölner Rehbein Galerie eine Reihe sinnlicher, überraschend aktuell wirkender Keramiken und Collagen des 2001 verstorbenen Künstlers Heinz Breloh.

Das passt gut zur neuen Messe-Sektion „re:frame“ mit besonderem Fokus auf den Umgang mit Künstlernachlässen, gewissermaßen als Ergänzung zum 2024 lancierten Sektor „re:discover“, der neue Perspektiven auf die Werkbiografien älterer, noch lebender Kunstschaffender ermöglichen will. Die Galeristin Ulrike Claeys zeigt in diesem Rahmen eine kompakte Werkschau der Bildhauerin Sabine K Braun, mit filigranen, von der Decke schwebenden organischen Strukturen aus gefalteten Packpapierstegen. Albert Baumgarten aus Freiburg hat neben seinem „re:discover“-Beitrag mit Bildern des 88-jährigen documenta-Künstlers Laszlo Lakner eine kleine Sensation dabei: zehn fortlaufende Gemälde aus Peter Drehers über 5000 Bilder umfassenden Werkgruppe „Tag um Tag guter Tag“. Fünf Jahre nach dessen Tod dürfte es auf dem Kunstmarkt heute kaum noch eine vergleichbare zusammenhängende Gruppe aus der berühmten Gläser-Serie geben.

Einzelne Dreher-Bilder präsentiert auch die Karlsruher Galerie Meyer Riegger, die längst zu den Stammgalerien der Art Basel gehört, dazu ein wandfüllendes Bild von Horst Antes. Absoluter Magnet ist hier aber ein gigantisches Großstadtpanorama in Kohle von Miriam Cahn, das farbenfroh konstrastiert wird durch eine sehr erschwingliche Serie aquarellierter Sonnenuntergänge von Jonathan Monk, der in seiner Arbeit auf kluge und witzige Weise die Frage stellt, wie Werte in der Kunst entstehen.

Anlass, sich darüber Gedanken zu machen, bietet die art Karlsruhe natürlich auch in diesem Jahr reichlich – nicht nur vor Top-Werken wie Gerhard Richters „Rot-Blau-Gelb“, 1973 (950.000 Euro) oder August Mackes „Paar im Nachen“, 1913 (750.000 Euro, beide bei Ludorff, Düsseldorf). Im „academy:square“ in Halle 3 rückt die art Karlsruhe den Blick auf den Karrierestart junger Kunstschaffender. Unter den 16 jurierten Studierenden der Kunstakademien Baden-Württembergs sind mit Wenhao He und Changxiao Wang diesmal zwei junge Maler mit dabei, die ihre Ausbildung in Freiburg bei Ben Hübsch und Andrea Milhaljevic an der Macromedia Hochschule begonnen haben. Absolut sehenswert sind in dieser Sektion auch die behaarten Wurststilleben in Pink von Ye Qian, Meisterschülerin bei Magnus Plessen an der Kunstakademie Karlsruhe, sowie Leo Schicks tolle Erzählung in fünf Bildobjekten über die Beziehungsdynamik zwischen Jäger*in, Hund und Beute.

Am Ende dieses mit Schaureizen dicht gespickten Parcours lohnt sich übrigens der Besuch in der poetsichen, äußerst luftig kuratierten Schau von Ingeborg Lüscher, gleich neben den Studierenden. Die im Tessin lebende Deutsche ist diesjährige Trägerin des Hans-Platschek-Preises, der traditionell im Rahmen der art Karlsruhe vergeben wird. Die 88-Jährige, Witwe des legendären Kurators Harald Szeemann, zeigt hier neben ihrem berühmten und berührenden Videotryptichon „Die andere Seite. Israel/Palästina“ von 2009 eine 25-teilige Arbeit mit Fotos aus dem Scheizer Dorf Tegna, zu denen sie mit Freunden Anfang der 1970er Jahre eine unzusammenhängende Geschichte „däumelte“. Die Praxis des Däumelns geht auf das zufällige Aufblättern von Bibel- oder Buchseiten zurück, um den so gefundenen Spruch oder Satz als Orakel zu deuten.