Orte der Kunstproduktion XXIII: FLINTA* Residenz im aufhof Hannover

MCD / YOU ARE COLLECTIVE (MRC*), PURPOSE COMPRESSION RELEASE, 2024, Foto: Marie C Dann
Thema
23. Juni 2024
Text: Peter Boué

FLINTA* Residenz im aufhof.
ehemals Galeria Karstadt Kaufhof, Schmiedestr. 5, Hannover.

Ausstellung:
PURPOSE COMPRESSION RELEASE – MCD / YOU ARE COLLECTIVE (URC*)
Eröffnung am 27, Juni 2024, 19 Uhr.
Grußworte von Bürgermeister Thomas Klapproth und der Gleichstellungsbeauftragten der Landeshauptstadt Hannover Luisa Arndt

Öffnungszeiten: 28. bis 29. Juni 2024,  10.00 bis 18.00 Uhr, 2. bis 11. Juli 2024, 14.00 bis 22.00 Uhr.
Performance: Sa. 6. Juli 2024, 15.00 bis 16.00 Uhr Bibliothek des Unsagbaren – MCD (URC*)
Workshop: Mi. 10. Juli 2024, 15.00 bis 17.00 Uhr innerhalb Pop-Up Jugend Event Area

Weitere Termine unter www.aufhof-hannover.de
Kontakt unter

https://mariedann.de

Im ehemaligen Galeria Kaufhof am Rand der Altstadt von Hannover hat die FLINTA* Residenz ihre 40 Quadratmeter Arbeits- und Schaufläche bezogen. Foto: Marie C Dann
Die FLINTA* Residenz im aufhof Hannover, Mai 2024, Foto: Marie C Dann
Die FLINTA* Residenz im aufhof Hannover, Mai 2024, Foto: Marie C Dann

[artline Nord—] Die Initiatialzündung kam von Lydia Waldmann, welche nach ihrem Bachelor in Experimenteller Gestaltung an der Hochschule Hannover derzeit in Kiel im Masterstudium in Raumstrategien ist, und von Dani-Lou Voigt, die gerade ihren Master in Kulturvermittlung macht. Beide sind versiert in künstlerischen Ausdrucksformen und interessiert an den Fragen, die im Wechselspiel zwischen Kunst und Gesellschaft eine Rolle spielen. Sie haben Ideen formuliert, um Kunst im städtischen Raum jenseits der „weißen Zelle“ Brian O’Dohertys, also über den Rahmen der als abgeschlossen vom Alltag wahrgenommenen Räume hinaus zu zeigen. Beider Ideen und Projekte sind zu verschiedenen Phasen in der Corona-Zeit entstanden, sie haben also neben den grundsätzlichen Zielen eine historische wie biografische Zeit als Kontext und Ursache. Dani-Lou Voigt hat Konzepte erarbeitet, die mit Führungen, Performances und anderen Formen der Vermittlung die inhärenten Grenzen der Kunsterfahrung, Bildung und weiterer Privilegien thematisieren und sie zugleich umgehen sollen. Wichtig ist ihr die Präsenz des Kunstwerks und seine Wirkung im öffentlichen oder urbanen Raum. Lydia Waldmann geht es in ihrer Arbeit mehr um die Vorstellung und Gestaltung eines solchen Raumes selbst, der nicht nur das Werk, sondern den gesamten künstlerischen Prozess dorthin umfasst. So hat sie bereits Erfahrung mit einem Ort gesammelt, der sichtbar und im soziologischen Sinn barrierefrei und niedrigschwellig Möglichkeiten der Kunst und ihrer Vermittlung bot: So führte sie in einem ehemaligen Hannover-96-Fanshop in Hannover eine Ausstellung mit begleitenden Workshops durch.

Ein notwendiger Exkurs: Die Veränderung des Konsumverhaltens hat die großen Warenhäuser in den urbanen Zentren veröden und brachliegen lassen. Eine hoch diverse Form kultureller Nutzung ist zumindest in den größeren Städten eine Folge davon, die gemeinsam mit den jeweiligen Kulturämtern organisatorisch bewerkstelligt wird und eigentlich alle zufrieden dastehen lässt. So auch im ehemaligen Galeria Kaufhof in der Innenstadt Hannovers. Ein Problem ist allerdings, dass immer nur mit kurzen Fristen der Nutzung gearbeitet wird und so keine Kontinuität gewährleistet werden kann. Denn man wartet auf auf Investorinnen, auch hier. Das ist der Keim und das ist also der Ort für das gemeinsame aktuelle Vorhaben von Waldmann und Voigt – die FLINTA* Residenz, die nun neben einem Eingang des seit 2023 in „aufhof“ umbenannten Warenhauses ihren Platz hat. Dem Projekt ist ein Manifest vorangestellt, das die gesellschaftliche Sichtbarkeit der FLINTA*-Community – in diesem Fall insbesondere der Kunstschaffenden – voranstellt. Sie verstehen ihr „private, künstlerische und vermittelnde Praxis als politisch“ und fokussieren dabei auf eine vorwiegend kollektive Arbeitsweise und eine Vermittlung, die sich „mit der Historie, Gegenwart und Zukunft des Innenstadtraums“ auseinandersetzt.

Die FLINTA* Residenz befindet sich aktuell im Fluss der Ereignisse, denn Planung und Ereignisse geschehen parallel. So beabsichtigen die Initiatorinnen* innerhalb eines Jahres zwei Stipendien zu vergeben. Bewerber:innen, die von einer Jury ausgewählt werden, können vor Ort jeweils für einen Zeitraum von drei Monaten arbeiten und erhalten 1.500 Euro, wobei in den letzten zwei Monaten wöchentliche Vermittlungen und Workshops angeboten werden sollen.

Und die erste Stipendiatin* ist bereits vor Ort. Marie C Dann (1989) arbeitet multidisziplinär, ihre Medien sind Zeichnung, Fotografie und Sprache, aber auch Performance und Installation. Dem eigenen Selbstverständnis nach ist Dann ein kollektives Gefüge, das unter dem Kürzel URC alias You Are Collective firmiert. Danns Arbeiten und auch der Werkprozess sind im Juni und Juli vor Ort zu sehen, es gibt regelmäßige Termine im Sinne der offenen Vermittlungsangebote. Sehr zu wünschen ist ihnen und uns allerdings eine langfristige Perspektive für das Projekt, denn aktuell ist der weitere Verlauf vor Ort – siehe oben – nicht gesichert.