Simon Denny, Merge: Mining als Metapher

Simon Denny, Merge, 2022, Ausstellungsansicht Heidelberger Kunstverein, Foto: Tanja Meissner
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23. Dezember 2022
Text: Annette Hoffmann

Simon Denny, Merge.
Heidelberger Kunstverein, Hauptstr. 97, Heidelberg.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 15. Januar 2023.
www.hdkv.de

„Sheep are eating men“ lautet die von Thomas Morus geprägte Wendung. Intensive Landwirtschaft hat schon immer die Natur verändert und Menschen verdrängt. Und so wollen auch die Bilder australischer Schafhaltung von berittenen Männern, die auf weite Landschaften schauen, nicht wirklich überzeugen. Sie gehören zum Spiel „Squatter“, bei dem die Kosten von Dünger und der Schafe den Spielverlauf beeinflussen. Doch es ist eine Frage der Perspektive. Der neuseeländische Künstler Simon Denny (*1982) hat den Boden des Heidelberger Kunstvereins mit einem „Squatter“-Spielbrett samt Fotos und Spielaufforderungen bedruckt, die Skulpturen jedoch und die Objekte an den Wänden befassen sich mit einer anderen Wirtschaftsform. Seit einigen Jahren schon setzt sich Denny mit dem Mining als Metapher für die Gegenwartskultur auseinander. Der Abbau von Rohstoffen, der zunehmend mit einer Ausbeutung von Daten verbunden ist, lässt die Schafhaltung, die einmal Neuseelands wichtigster landwirtschaftlicher Wirtschaftszweig war bevor sie durch die Kuhhaltung verdrängt wurde, geradezu idyllisch wirken.

Der Game-Aspekt ist auch in diesen Arbeiten vorhanden. Im Simulationsvideo eines riesigen Bohrers verwandelt sich die groteske Maschine in eine gelbe Superkräfte-Figur, der der Arbeiter mit einem kurzen Antippen des Helmes Respekt erweist. Und das Smart-Bändchen in einem weiteren Video, mit dem die Körperdaten von Bergleuten kontrolliert werden, hat auch etwas Spielerisches. Es soll Unfälle aufgrund von Übermüdung vermeiden, doch es ist vor allem ein Instrument der Überwachung. Denny hat in seiner Einzelausstellung „Merge“ nicht nur Bergbaumaschinen als kleinformatige Kartonmodelle in den Raum gestellt, er zeigt auch die Zeichnungen von Sharon Gordon, die in Dennys Auftrag die Geschäftsebene dieser Minen auf eine imaginäre Anklagebank setzte. Die gezeichneten Situationen sind fiktiv, doch wünschenswert. Denn indem Denny im Heidelberger Kunstverein eine Verbindung zwischen der Ausbeutung der Erde und der von Daten zieht, sieht man hier wie dort die gleiche Profitgier am Werk. Im oberen Stockwerk breitet Denny exemplarisch die Verselbstständigung einmal freigesetzter Kräfte aus. Eine Stimme wirbt in „What is blockchain?“ für die Transparenz und den Zugang zu dieser Währung. „Governed only by ourselves“, verspricht die Stimme als läge darin ein besonderes Heil. Wir wissen es besser. Zumindest ihr hoher Energieverbrauch könnte minimiert werden, der Ausstellungstitel „Merge“ bezieht sich auf eine neue Technologie beim Schürfen von Kryptowährungen. Denny hat auf der Empore einerseits die Metapher des Spiels weiter ausgereizt – tatsächlich hat er zusammen mit Boaz Levin aus dem Geist des Datenminings das Spiel „Extractor“ entwickelt – und andererseits zeigt er Computer, die unentwegt vor sich hin arbeiten oder zumindest auf Bereitschaft stehen. Es kann also weitergehen.