Riikka Tauriainen

Riikka Tauriainen, Ecotone Encounters, 2022, Videostill, © Riikka Tauriainen
Porträt
15. November 2022
Text: Corinna Raupach

Riikka Tauriainen: Ecotone Encounters.
ZF Kunststiftung im Zeppelin Museum, Seestr. 22, Friedrichshafen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 4. Dezember 2022.
www.zf-kunststiftung.com

Riikka Tauriainen, Ecotone Encounters, 2022, © Riikka Tauriainen, Installationsansichten ZF Kunststiftung im Zeppelin Museum, Foto: Laura Rodriguez
Riikka Tauriainen, Ecotone Encounters, 2022, Videostill, © Riikka Tauriainen

Eine Viertelstunde Bodensee: In der Videoinstallation der finnischen Künstlerin Riikka Tauriainen (*1979) sind das vor allem Begegnungen. Wasser trifft auf Ufer, Seeboden, Luft und Licht. Es rinnt durch die Kehlen von Menschen, umgibt Fische, Muscheln, Seepflanzen und Plankton. Beziehungen entstehen, Veränderungen geschehen, Grenzen verschwimmen. „Mit jedem Schluck, den wir trinken, werden wir Teil des globalen Wasserzyklus, der durch uns und alle Spezies hindurchfließt. Nicht nur chemische Prozesse ereignen sich im Wasser, sondern auch evolutionäre und kulturelle“, sagt Riikka Tauriainen. Sie ist die 41. Stipendiatin der ZF Kunststiftung. Ihre Ausstellung „Ecotone Encounters“ im ZeppLab des Zeppelin Museums zeigt derzeit das Ergebnis ihres Aufenthalts am Bodensee.

Ein Ökoton bezeichnet in der Biologie den Übergangsbereich zweier Lebensräume. Diese Situationen faszinieren Riikka Tauriainen. Sie stehen nicht nur für Bewegung und einen Reichtum an Lebensformen, sondern im übertragenen Sinn auch für die Verbindung von Elementen und Organismen. „In dem Namen der Ausstellung schwingen auch die Ökologie und der Ton – also das Geräusch – mit“, erklärt sie. Seit Januar hat die Künstlerin als Artist in Residence das Turmatelier des Zeppelin Museums bezogen, mit Blick auf den Bodensee. Sie hat beobachtet, gefilmt, ist getaucht und ihr Mikrofon ins Wasser gehalten. Sie hat mit dem Seenforschungsinstitut Langenargen zusammengearbeitet, war auf dem Forschungsschiff Kormoran unterwegs und hat Mikroskope nutzen gelernt. Bei Spaziergängen und einem Segeltörn ließ sie den See auf sich wirken. Nachdenklich und poetisch erzählt Tauriainens Installation vom Staunen über ihre Erlebnisse und Erkenntnisse. Sie teilt zum Beispiel die Begeisterung über das Rendezvous mit Kleinstlebewesen im Bodensee: In einem Tropfen Wasser tummeln sich einzellige Algen, Rädertierchen und Glaskrebse, die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind. Sachte weckt sie Sympathie für diese Wesen und ihre Welt: Wo das einfallende Licht nicht heller ist als Sternenlicht, verlassen sich Arten auf akustische Fähigkeiten. „Sie hörfühlen oder fühlhören“, nennt Tauriainen die komplexen Fähigkeiten, akustische Wellen zu nutzen. Überrascht hat sie das Ausmaß des Unterwasserlärms im Bodensee, der über der Oberfläche als ruhiges Gewässer erscheint. In ihrer Installation brummen immer wieder Schiffsmotoren in das Plätschern und Glucksen des Sees. Ihr Video ist auch ein Plädoyer für Respekt gegenüber allen Lebewesen: Vor über drei Milliarden Jahren entstand mit Plankton das erste Leben, Phytoplankton generiert lebenswichtigen Sauerstoff – „eine Dienstleistung, für die wir dankbar sein sollten“, heißt es im Video.

Riikka Tauriainen hat immer am Wasser gelebt: In ihrer finnischen Geburtsstadt Oulu – übersetzt „fließendes Wasser“ – mündet der Oulujoki in den finnischen Meerbusen. Studiert hat sie in der estnischen Hafenstadt Tallinn, in der Ruhrmetropole Essen, in Berlin an der Spree und in Zürich am Zürichsee, wo sie lebt und arbeitet. In Installationen, Videos und Performances beschäftigt sie sich mit Ökologie, postkolonialen Theorien und Genderfragen und bewegt sich an der Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft. Die Aussstellung ist Teil der Werkreihe „Hydrocommons“, deren Thema das Wasser ist, als Element steten Wandels, das trennt, verbindet und den größten Teil der Erde bedeckt. Auch menschliche Körper bestehen zum Großteil aus Wasser. Dass Menschen sich als eigenständiges Gegenüber von Wasser, Welt und anderen Wesen verstehen, sei zu hinterfragen, sagt Tauriainen: „Es geht um eine Änderung der Wahrnehmung.“ Menschen als Körper aus Wasser zu denken hieße, sich in ständiger Verbindung zur Umgebung zu verstehen und die eigene Sonderrolle zu relativieren.