Lutz & Guggisberg: Resonanzen sammeln

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22. Januar 2021
Text: Christiane Grathwohl

Lutz & Guggisberg.
Kunst Museum Winterthur, Museumstr. 52, Winterthur.
Dienstag 10.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 10. Januar 2021.
www.kmw.ch

Ein Flirt mit der Sammlung – so beschreibt Lutz & Guggisberg die künstlerische Intervention im Kunst Museum Winterthur. An der Hängekonzeption in den ehrwürdigen Museumsräumen ist nichts geändert worden und doch scheint alles auf subversive Art und Weise in Bewegung geraten zu sein. Die Idee ist nicht neu – Museumsleute öffnen ihre Türen und lassen Künstlerinnen und Künstler mit den Werken der Sammlungen arbeiten. Andres Lutz (1968) und Anders Guggisberg (1966) haben das in Winterthur auf besonders gelungene Art getan.

Voller Witz und Hintersinn erweisen sich ihre Objekte als ausgesprochen vielseitig. Mit einem feinen Gespür für Materialien und einer gehörigen Portion Respektlosigkeit zitieren und reagieren die beiden auf die Werke der Kolleginnen und Kollegen aus der Kunstgeschichte. Im Saaltext ist zu lesen, das Künstlerduo halte „sich dabei pingelig genau an die Präsentationsvorgabe des Museums“. Und tatsächlich konzentrieren sich Lutz & Guggisberg hier fast ausschließlich auf Objekte, die wie die Kleinskulpturen des Museums auf Sockeln, häufig unter einer Vitrinen-Haube und frei im Saal stehend, präsentiert sind. In unmittelbarer Nachbarschaft zu den exakt gleich aufgestellten Objekten von Meret Oppenheim, Jacques Lipchitz oder Hans Arp, kann zuweilen Verunsicherung aufkommen und erst der Blick aufs Schildchen schafft Klarheit. Dieser Blick lohnt sich, denn die Titel machen die Objekte des Künstlerduos vollständig. Als unverzichtbarer Teil der Werke geben sie Aufschluss, stoßen Gedanken an und sind oft urkomisch. Liest man „Oh my God I’m full of plans“ und sieht das dazu gehörige zylinderförmige Objekt, das vollgestopft ist mit Gegenständen der verschiedensten Art, dreht sich einem tatsächlich ein wenig der Kopf, was wiederum in schöner Korrespondenz zum Gemälde „Le Carrousel“ von Louis Moilliet steht. Der „Erpelbert mit Gabe“ tauscht sich mit einem Röhrenbild von Fernand Léger aus und die „Himmelskuppel“ mit Paul Klee.

Lutz & Guggisberg arbeiten mit vielerlei Bezügen, seien sie formaler, farbiger oder auch inhaltlicher Art. So entdeckt man, umgeben von Hans Arps grauweißen Reliefbildern eine chamäleonartig sich an ihre Umgebung angleichende kleine Skulptur aus gebranntem Ton. Ihr Titel ist: „Ofen, Geist und Meis­ter“. Dieses kleine weiße Gespenst ist der Namensgeber für die Ausstellung, die wärmt wie ein Ofen, von Geist und Witz durchdrungen ist und den Flirt mit den Meisterinnen und Meistern der Vergangenheit nicht scheut. Mitten in der längst anerkannten Avantgarde schaffen Lutz & Guggisberg ihren eigenen Kosmos. Dass die mit den Werken an der Wand einhergehende Provokation und Erschütterung von einst wieder wahrgenommen werden kann, liegt am aufrührerischen, fast dadaistischen Geist der Objekte des Künstlerduos. Man sollte diese Ausstellung nicht verpassen.