Corona Studios I: Miriam Sophie Beichert

Miriam Sophie Beichert, Collagen aus dem Off, 2020, Collagen (10x15 cm, 18x13 cm, 15x11 cm), Courtesy the artist
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19. Mai 2020
Text: Miriam Sophie Beichert

Miriam Sophie Beichert, *1999, lebt und arbeitet in Freiburg i.Br., Studentin der Bildenden Kunst.
miriambeichert.com

Aktuelle Werke von ihr sind in der FWTM in Freiburg im Rahmen des Ausstellungsprojektes „L’Off Space“ zu sehen.

Miriam Sophie Beichert, Ohne Titel, 2020, Blutiges Taschentuch, gerahmt, 20 x 15 cm, Courtesy the artist
Miriam Sophie Beichert, Isolation, 2020, Öl auf Leinwand, 40 x 40 cm, Courtesy the artist

Mit sich selbst in den eigenen vier Wänden eingesperrt. Die Mithäftlinge: Gedanken, die man längst totgedacht glaubte, Zweifel, Grundsatzfragen, Erkenntnisse.
Durch den Ausbruch des Virus Covid-19 war Improvisation gefordert. Mein Atelier in der Hochschule musste schnellstmöglich umziehen – in das Zimmer, in dem ich lebe, schlafe, Musik mache, sonstigen Beschäftigungen nachgehe und vor allem: abschalte.

Das Home-Atelier – rund um die Uhr zugänglich, jeder Zeit bereit, in Anspruch genommen zu werden – eigentlich eine schöne Vorstellung. Doch der anfangs so ansprechende Gedanke trügt.

In all der Ungewissheit, ständig konfrontiert mit dem Gedanken „Ich sollte jetzt doch eigentlich so produktiv wie sonst nie sein, schließlich habe ich doch alle Materialien vor der Nase und massig Zeit sowieso“, mündete ich schließlich in einer kleinen „Schaffenskrise“, die von Druck und leider oft auch von Unproduktivität gezeichnet war. Ich fing an, hörte wieder auf, begann erneut, legte beiseite. Nicht nur die Welt da draußen, auch meine Welt hier drinnen schien wie lahmgelegt. Wie nie zuvor wurde mir bewusst, wie sehr das Arbeitsklima und das Ambiente meines Hochschulateliers und die strikte Trennung von Privatraum und Arbeitsraum zu meiner künstlerischen Schaffenskraft beitragen. Eine Erkenntnis, für die ich sehr dankbar bin!

Vor allem die soziale Isolation und der Frust über das Gefühl des Nicht-voran-Kommens trug dazu bei, dass ich mich mehr und mehr in ein negatives Gedankenkonstrukt abrutschen fühlte. Im Nachhinein betrachtet – es mag befremdlich klingen – war dies für mein künstlerisches Tun allerdings sehr wertvoll. Die ausgelösten Gedankengänge gaben Anreiz zur (Selbst-)Reflexion, einiges wurde mir klar. Und genau dieser Gedanke des Sich-selbst-ausgesetzt-Seins brachte mir nach und nach den Drang zur künstlerischen Produktivität zurück – ich fertigte Malereien und Collagen als Momentaufnahmen der Ungewissheit, der Enge, der Isolation, auch der Einsamkeit an.

Seit dem 11. Mai habe ich nun wieder Zugang zu meinem Atelier und ich bin gespannt, welche Erkenntnisse, Gedanken und Empfindungen der vergangenen Zeit, sich in meine kommenden Arbeiten einschleichen werden.

Paradox: Der Mensch mag zwar ein Egoist sein, aber eben auch ein Rudeltier.
Außerdem: YOUR PRODUCTIVITY DOES NOT DEFINE YOUR WORTH – klingt geschwollen, ist aber wahr.




Corona Studios II ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg