Corona Studios I: Eva Rosenstiel

Eva Rosenstiel, Place d'Alligre, 2020, 140 x 380 cm, Foto: Eva Rosenstiel, Courtesy the artist
Thema > Corona Studios I
10. Mai 2020
Text: Eva Rosenstiel

Eva Rosenstiel, *1951, lebt und arbeitet in Freiburg i.Br. und St. Märgen.
www.evarosenstiel.de

Eva Rosenstiel wird vertreten von Galerie Claeys, Freiburg.

Blick ins Atelier, St. Märgen, Mai 2020, Foto: Eva Rosenstiel

Malzeit.
Vorgestern habe ich meinen „Rückzug“ in den Schwarzwald unterbrochen und bin nach Freiburg runter gefahren.
Über 6 Wochen Sankt Märgen. (Peter Dreher sagte mir noch im Januar „6 Wochen war das längste“, als wir über das Atelier sprachen.) In Corona-Zeiten war im Dorf wenig Veränderung zu spüren. Etwas verzögert im kleinen Laden die Plexiglasscheibe und seit letzter Woche natürlich die optischen „Gesichtsveränderungen“. Ansonsten ist social distance kein Problem. Man ist meist die einzige Spaziergängerin und ich genieße dabei die Ahnungslosigkeit der Landschaft.

Im Atelier Tag und die halbe Nacht malend ist alles fast wie „früher“. 100% allein/bei sich sein, absoluten „Null Kontakt“ zu menschlichen Wesen, nicht mal Internet. Nur der Radio dessen stündlich sich wiederholende Nachrichten die zeitliche Dimension des Tages vertonen und deren im Malprozess fast vergessene Inhalte in die „Sicherheitszone“ eindringen.
Jetzt erforderte ein Mangel an Arbeitsutensilien einen Einkauf bei Boesner … Fast aufregend.
Meine Arbeit hat sich gerade verändert. Malen mit Ölfarbe auf Leinwand. Eigentlich für die Ausstellung in den USA – gerollt im Flugzeug als Sondergepäck – geplant. Inzwischen ist dieses Vorhaben wie das meiste auch „postponed“; aber solche vormals „Wichtigkeiten“ verlieren total an Bedeutung. Irgendwie sehr wohltuend, wenn nicht sogar befreiend – wer will im Moment schon in Amerika sein …
Aber statt das in Sankt Märgen entstandene malerische Sujet der Bäume zu erweitern wandte ich mich wieder meinem Thema des Pariser Marktes am Place d’Alligre und der dort gesehene „Stofflichkeit“ zu. Der Bildaufbau ist etwas chaotischer, zerissener und durchlebter geworden. Beim Malen auf der Leinwand empfinde ich mehr Widerstand als auf der Aludibondplatte. Der sprödere Pinselstrich kostete Zeit – die man nun reichlich hat. Auch das Format mit 140 x 380 cm mein bis jetzt grösstes Bild „am Stück“. 6 Wochen Malzeit und noch nicht fertig. Inzwischen hat sich in dieser Malerei eines belebten sozialen „Vergangenheitsortes“ eine Sehnsucht nach einem Leben eingeschlichen, das wir hoffen irgendwann wieder führen zu dürfen.

Morgen fahre ich wieder nach oben.





Corona Studios I ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg