Corona Studios I: Lidong Zhao

Lidong Zhao, ohne Titel (Stillleben), 2020, C-Print, 71 x 56.8 cm, Courrtesy the artist
Lidong Zhao, ohne Titel (Stillleben), 2020, C-Print, 71 x 56.8 cm, Courrtesy the artist
Thema > Corona Studios I
9. Mai 2020
Text: Lidong Zhao

Lidong Zhao, *1986, lebt und arbeitet in Freiburg i.Br.
Zuletzt waren Fotografien von ihm in einer umfangreichen Einzelausstellung im Kunsthaus L6, Freiburg sowie in einer Gruppenschau im Kunsthaus Essen zu sehen.
www.lidongzhao.com

Meine Stillleben entstehen alle zuhause auf unserem Esstisch. Mein künstlerisches Schaffen wird also kaum beeinträchtigt von der aktuellen Situation.
Und doch sind da das viele Zuhause-Sein, das Auf-sich-bezogen-Sein und die gleichzeitige Nachrichtenflut, die Ruhe auf den Straßen und am Himmel und die Auseinandersetzung mit der Unsicherheit, wie es weitergeht: All das beeinflusst mein Sehen, meine Wahrnehmung und damit mein künstlerisches Schaffen. Was ich sehe und spüre, all diese Wahrnehmungen sind in meinen Bildern, ohne dass die Bilder Ausdruck einer konkreten Situation sind oder diese beschreiben.
Meine Fotografie ist immer eine Auseinandersetzung mit dem dokumentarischen Charakter des Mediums Fotografie und meiner Wahrnehmung, die das Bild doch erst entstehen lässt und die damit Teil des Bildes ist. Die Frage, wie diese beiden Ebenen zueinanderstehen, prägt mein Arbeiten.

Die Fotografie eines Steines auf einer Tischplatte, im Hintergrund das Weiß des Papieres und eine mit Bleistift gezogene Linie ist bedeutungsleer, entzieht sich jeder Symbolik, die über das einfache Sein des Abgebildeten hinausweist. Es ist, was es ist. Und nutzt damit klar den dokumentarischen Charakter der Fotografie, die abbildet, was vor ihr ist.
Aber wieso entsteht das Bild so?
Bevor ich fotografiere, habe ich keine Pläne, ich baue keine vorher überlegten Szenerien, die ich dann ablichte. Vielmehr entsteht die Fotografie aus meiner Beziehung zu den Dingen, entsteht in der Situation, in der ich mich als Fotografierender in meiner Umwelt bewege. Ich mache nur ein einziges Bild. Diese Fotografie ist das Bild von vielschichtiger Wahrnehmung und dem Bewusstsein des Einbezogen-Seins in Welt. Welt verstehe ich damit nicht als bestehend aus Einzeldingen und -momenten, sondern vielmehr als ein fortwährendes Aufeinander-bezogen-Sein.

So lasse ich mich leiten von meiner Wahrnehmung, meinem Empfinden, lasse dies Teil werden meiner Fotografien – und doch zeigen diese nicht mehr als einzig das, was auf ihnen zu sehen ist, jeder situativen Zeitlichkeit enthoben.



Corona Studios I ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg