Bunny Rogers: Nach der Party

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2. März 2020
Text: Christian Gampert

Bunny Rogers: Kind Kingdom.
Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Bregenz.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 13. April 2020.

www.kunsthaus.-bregenz.at

Schon am Eingang des Kunsthauses riecht es intensiv nach Gras und feuchter Erde. Im Parterre betreten wir, gleich neben der Info-Theke, eine quietschnasse Rasenfläche und sinken mit den Winterschuhen fast ein wenig ein. Überall blinken LED-Glühwürmchen. Weiter hinten ist ein Grabhügel mit blauen (!) Rosen bedeckt und dämmrig beleuchtet, offenbar hat gerade eine Beerdigung stattgefunden – die Beerdigung von Bunny Rogers (*1990). Neben dem Grab steht auf der Staffelei eine Art Selbstportrait der Künstlerin, wie eine Schärpe hängt ein Mantel daran. Einen Stock höher eine neue Rasenfläche, diesmal übersät von Flaschen und Papptellern, auf denen noch Kuchenreste kleben und die ersten Insekten krabbeln. Obwohl es aussieht wie auf einem Schlachtfeld, sind die gröbsten Reste der Party offenbar schon weggeräumt, sie lagern hinten in schwarzen Müllsäcken, aus denen auch illustrierte Zeitschriften hervorlugen – Themen sind etwa Lady Di und der Untergang der Titanic.

Wir befinden uns offenbar in zwei Stationen eines Film-Sets, auf dem ein Streifen über das Ableben der Bunny Rogers gedreht wird. Nach der Grablegung der Leichenschmaus, der sich über Tage hingezogen zu haben scheint, mit Musik und Drogen, wie die Reste zeigen. Neben dem bizarren Vergnügen, die eigene Beerdigung zu inszenieren, ist bei Bunny Rogers aber noch anderes im Spiel. Sie ist mit medialen Großereignissen wie dem Hollywood-Film „Titanic“ und der Trauer-Hysterie nach dem Tod von Lady Di aufgewachsen. Die kollektiven, medial vermittelten Gefühlswogen ersetzten in Teilen dieser amerikanischen Generation offenbar weitgehend die eigene, authentische Emotion. Und über die depressive Grundstimmung in einer solchen Second-Hand-Identität kann Bunny Rogers eindrucksvoll berichten: „Für mich kommt meine Kunst aus der Motivation, meine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen überhaupt zu organisieren. Und einige dieser noch sehr präsenten Erinnerungen sind quälend.“

Der Trick ist natürlich, dass man nicht weiß, was hier Wahrheit und was Fiktion ist. Bunny Rogers entwirft als Konzeptkünstlerin ein Bild auch von sich selbst und spielt die Rolle perfekt: das zurückhaltende, melancholische Medien-Kid, das mit monotoner Stimme schräge Sachen erzählt, jedenfalls in den Videos, und sich in computergenerierten Portrait-Serien als comic-artige neue Jeanne d’Arc mit Trichterbrust inszeniert.

Im Kunsthaus Bregenz wird von Rogers nun eine völlig artifizielle Welt entworfen, von der man nicht so genau weiß, ob sie nun die Seelenlage einer amerikanischen Gruftie-Generation nachzeichnet oder nicht doch nur der Blick in die Traumata der Künstlerin selbst ist. „Entscheidend für ihre Ikonografie, für ihr Universum sind eigentlich kindliche Erfahrungen, Imaginationen aus der Zeit vor der Pubertät. Sicher auch viel Schmerzerfahrung aus dieser Zeit“, sagt Kunsthaus-Direktor Thomas Trummer.

Was bringt es, im Museum Natur zu inszenieren? In einem Haus Rasen zu verlegen und Friedhof zu spielen? Nun, es ist durchaus eindrücklich. Weil wir uns in diesem künstlichen Setting unserer selbst, unserer Selbst-Wahrnehmung inmitten von Tod, Natur, Vergänglichkeit viel genauer versichern können, als dies ein Blick etwa auf ein Vanitas-Stillleben ermöglichen würde. Im dritten Stock sind dann Rosen in quaderförmige Betonklötze einbetoniert, die einzelnen Elemente sind zu einem Kreis arrangiert: ein Stonehenge des Betonzeitalters.

Natürlich ist das auch Kitsch und falscher Kult: Rosen im Sitzkreis für die Toten. Aber dass diese Toten real sind, zeigt die die Schau abschließende, über einen ganzen Stock perfekt nachgebaute, tropfende und in Nebel gehüllte Internat-Gemeinschaftsdusche, die an das Schul-Massaker von Colombine mit zwölf Toten erinnern soll. Bunny Rogers erfährt sich selbst vor allem in der Katastrophe.