On the Quiet.
Galerie Stadt Sindelfingen, Marktplatz 1, Sindelfingen.
Montag bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag und Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 23. Februar 2020.
Wie viel wiegt eine Ausstellung? Im Fall der aktuellen Gruppenschau in der Galerie Stadt Sindelfingen lässt sich das ziemlich genau sagen: 31,5 Kilogramm. Dieses Gewicht entspricht der maximalen Last eines Post-Paketes und bildet zugleich die kuratorische Grundidee von Carolina Pérez Pallares (*1980) und Benjamin Appel (*1978). Sämtliche Arbeiten – zumindest ihre essentiellen Bestandteile – der 14 beteiligten Künstler*innen müssen in ein Paket passen und werden als solches zum jeweiligen Ausstellungsort geschickt. Die Ware wird ganz bewusst nicht als Kunst deklariert und auch nicht versichert. Die Kunst reist hier anonym und „on the quiet“, wie der Ausstellungstitel suggeriert.
Als erste Station ist die Ausstellung nun in der Galerie Stadt Sindelfingen zu sehen. Danach reist sie weiter in die Kunsthalle Mannheim, das Museo Nacional de Bellas Artes in Santiago de Chile, dann nach China, Mexiko und Südafrika. Ob die Ausstellung so weit kommt, ist jedoch ungewiss. Ohne Versicherung ist ein Paket schließlich immer in Gefahr, irgendwo auf seinem Weg zu verschwinden. Mit der Entscheidung für den gängigen Postweg unterläuft dieses Konzept die vorherrschende kapitalistische Logik der Kunstproduktion und -distribution. Vielmehr begreift sich „On the Quiet” als Experiment mit Mut zum Scheitern.
Viele der ausgestellten Arbeiten thematisieren ihre eigene Fragilität und befragen zugleich ihren Status als Kunstobjekt. So etwa die Installation „Under Cover“ von Eric Hattan (*1955). Sprudelkisten, Hocker, Notenständer, Papierkörbe, Vitrinenhauben und weitere Materialien, die sich im Depot eines jeden Ausstellungshauses befinden, stapelte er zu Skulpturen, die zugleich als Sockel für einen denkbar profanen Gegenstand dienen: umgestülpte Plastiktüten. Diese wiederum bedecken ein meist nicht sichtbares Etwas darunter. Hattans Sockel-Skulpturen können als Stellvertreter kostbarer, historischer Kunstwerke gesehen werden. Oder auch als humorvoll-kritischer Kommentar zur Erhabenheit der Kunst.
Auf einen Sockel gestellt, kann auch eine Plastiktüte zur Kunst werden. Zumindest im institutionellen Rahmen des Museums. Das Leipziger Künstlerduo ART N MORE, bestehend aus Paul Bowler (*1987) und Georg Weißbach (*1987), zeigen auf zwei gegenüber liegenden Wänden eine Collage aus drei Videoarbeiten. Mit erfrischender Selbstironie und einem gewissen Hang zum Slapstick bewegen sich die beiden – in ihrem Auftreten und ihrer Gegensätzlichkeit unweigerlich an Laurel und Hardy erinnernd – stets zu zweit durch ihr Künstlerdasein. Sie zelebrieren die Banalität von Alltagsszenen oder spielen romantische Filmszenen nach. Im Museum betrachten sie andächtig Alte Meister, ruhen gelangweilt auf einer Bank oder durchstöbern die Bibliothek.
Das Museum als Ort thematisiert auch Schirin Kretschmann (*1980) mit Arbeiten, die in Situ entstanden. Für „Inside Out“ schlug die Künstlerin am Eröffnungsabend insgesamt 1000 Dachpappnägel überall dort in die Wand, wo ein früheres (überdecktes) Loch zu sehen war. Durch diesen Eingriff bringt sie die Ausstellungsgeschichte des Raumes synchron an die Oberfläche.
Ernst Caramelle (*1952), langjähriger Rektor der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe – an der auch Appel und Pérez Pallares studierten – und bekannt für seine durchaus humorvolle Konzeptkunst, lieferte lediglich eine Schablone mit Anleitung zur Ausführung eines „Zig Zag auf Wand, Position variabel“ für das Kuratorenduo. Diese Arbeit stellt – wie die gesamte Ausstellung – Fragen nach dem Status und Wert eines Originals, den absurden wie komischen Aspekten der zeitgenössischen Kunst und ihren Bewegungen rund um den Globus.