Hidden Beauty: Den Raum abtasten

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23. Dezember 2019
Text: Nora Gantert

Hidden Beauty.
Kunsthalle Nürnberg, Lorenzerstr. 32, Nürnberg.
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 19. Januar 2020.

www.kunstkulturquartier.de

Nach eineinhalb Jahren Umbauzeit wird die Kunsthalle Nürnberg mit der Gruppenausstellung „Hidden Beauty“ wiedereröffnet. Neben der Renovierung der Räume erfuhr das Dach des Hauses eine umfassende energetische Sanierung, wobei nun den alten Oberlichtern wieder ihre eigentliche Funktion zukommt, die Räume mit Tageslicht zu füllen. Gleichzeitig wurde ein neues Lichtsystem eingebaut. Stimmig zum Umbau widmet sich die Ausstellung „Hidden Beauty“ den renovierten Räumen und ihrer durch den Renovierungsprozess veränderten Substanz. Die Ausstellung ist luftig gestaltet und lenkt die Aufmerksamkeit der Besucher*innen wie beiläufig auf die Räume selbst. Die Gegebenheiten des Ausstellungshauses sind integraler Bestandteil der Ausstellung, wobei jede der neun präsentierten Arbeiten, einen Aspekt des Bauens, der Behausung, des Baumaterials aufnimmt. Die meisten Kunstwerke benutzen zudem alltägliche Baumaterialien, die vor den Augen der Bewohner+innen gemeinhin in den Wänden versteckt werden: Lüftungsschächte, Kabel, aber auch Jalousien und Spiegel, werden zu installativen Kommentaren zu Themen der Raumwahrnehmung und -nutzung. 

Im Foyer begrüßt einen Katrin Sanders (*1957) „Identities on Display“ (2013). Diese 18 Glasvitrinen auf hohen Sockeln sind hybride Objekte, die sowohl als Kunstobjekte als auch als funktionsfähige Schließfächer fungieren. Hier werden die privaten Gegenstände der Besucher*innen zu zufälligen und wechselnden Exponaten der Ausstellung. Es wird alles sichtbar gemacht: ein schäbiger Mantel? Eine alte Tasche? Ein Gemüseeinkauf in Plastiktüten? Die schicke Designerjacke und ein teurer Rucksack? Wir sind was wir tragen und die sozialen Marker, die wir durch Kleidung setzen, werden durch die Installation „Identities on Display“ zum eigenständigen Exponat unserer Individualität. In ihrer Materialität nehmen die Vitrinen Bezug auf ihren Aufstellungsort im Foyer, welches ebenfalls zu drei Seiten verglast ist.

Olafur Eliasson (*1967), der Magier des Lichts in der zeitgenössischen Kunst, zeigt seine Arbeit „Mono scanner“ (2004), die den Raum – räumlich und zeitlich – mit Licht durchmisst und jeden Winkel abzutasten scheint. Das neue Lichtkonzept der Kunsthalle ist für diesen Raum nicht nötig und wird gerade durch seine Abwesenheit zum Thema.

Den nächsten Raum betritt man über eine Rampe, die aus Leichtbauplatten eines Flugzeugs besteht. Dieses spezielle Material benutzt Michail Pirgelis (*1976) um daraus begehbare Architekturen und Szenerien zu bauen. Die Kabel und Öffnungen, die Henkel und Dichtungen sind zum Teil nur verflacht zu erkennen. Die detaillierten Maserungen des Materials werden zu abstrakten Gemälden, die Platten zu aneinander gefügten Farbflächen. Hightech-Materialen, die unter höchster Aufbietung von menschlichem Erfindergeist und unwahrscheinlichen Mengen an Energie hergestellt wurden, stehen hier ihres ursprünglichen Nutzens beraubt.  Laure Prouvosts (*1978) Installation „ren-essence (corner) I“ ist das lebendigste Werk der Ausstellung, bestechen doch die acht anderen Positionen mit ihrer klaren und minimalistischen Formensprache. Man könnte meinen, hier im letzten Raum wird das chaotische Leben, das in Räumen stattfindet, thematisiert und gezeigt. Die Installation vereint Videos, Topfpflanzen, Kühlschränke und Metallskulpturen zu einer Allegorie auf den Zustand der domestizierten Natur und den Umgang des Menschen mit den von ihm geschaffenen ökologischen Problemen.

Jedes der gezeigten Kunstwerke in dieser Schau steht stellvertretend für einen Aspekt des Raumes: die Begrenzung, das Licht, sowohl das natürliche als auch das künstliche, der Alltag, die Vertrautheit, die Abschottung und der Lebensraum, den wir uns in unserer Wohnung schaffen. Natürlich wirft die Ausstellung auch die Frage nach dem Dispositiv der Ausstellungsräume auf: In welchem Verhältnis stehen wir also zu einem Museumsraum? Welche Qualitäten muss er haben? Wie lassen uns Museumsräume Kunst wahrnehmen?