Maske. In der Kunst der Gegenwart: Das zweite Gesicht

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18. September 2019
Text: Annette Hoffmann

Maske. In der Kunst der Gegenwart.
Aargauer Kunsthaus, Aargauerplatz, Aarau.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 5. Januar 2020.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen:Scheidegger & Spiess, Zürich 2019, 312 S., 48 Euro | 49 Franken.

www.aargauerkunsthaus.ch

Die Szenerie ist urban. Die drei Frauen und der Mann sitzen vor einem Gitter, dahinter ist eine Industrieanlage zu erahnen. Doch genau genommen handelt es sich bei Olaf Breunings Fototapete „Emojis“ um eine Collage. Und mit den vieren, die sich alle wutentbrannte Mienen vor das Gesicht halten, ist es noch nicht getan. Das ganze Bild quillt über vor kleinen Figuren mit Emojis-Gesichtern, daneben und dazwischen finden sich Icons von Smartphones, Pommes, Cocktails, Biere, ein Häuschen im Grünen. Der emotionale Wert scheint zugleich der Marktpreis zu sein, alles ist konsumierbar und selbst die brennende Bombe sieht aus wie ein Parfümflacon. Es hat etwas sehr Selbstverständliches, wie der Schweizer Künstler hier das Thema der Maske in die Gegenwart überführt. Emojis machen die Kommunikation geschmeidig, niemand muss sich lange erklären und kann sich hinter dem Bildchen, das gleichermaßen standardisiert wie personalisiert ist, verstecken. Es gäbe eine Menge Geschichten zu erzählen, doch lässt sich keine Hierarchie, keine Reihenfolge entdecken. Es ist lediglich eine Momentaufnahme.

Nicht grundlos empfängt den Besucher der Ausstellung „Maske“ im Aargauer Kunsthaus diese Arbeit. Sie setzt das Thema in die ganz alltägliche Gegenwart jenseits von Ritualen oder der Bühne. Masken sind ein Medium der Kommunikation und ersetzen für eine gewisse Dauer das menschliche Antlitz. Die Werke von knapp 40 internationalen Künstlerinnen und Künstler greifen unterschiedliche Aspekte des Themas auf, auch die Ausstellung folgt hier keiner Ordnung, sondern gleicht einem Parcours.

Am radikalsten stellt Kader Attia die Frage nach dem Wesen der Maske. Attia hat Schwarz-Weiß-Reproduktionen von versehrten Soldaten des Ersten Weltkriegs neben Aufnahmen aus Lazaretten und afrikanischen Masken geklebt. Den bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Gesichtern wurde eine lebendige Mimik genommen, das, was uns als Menschen zueinander in Kontakt treten lässt. Sie gleichen auf erschreckende Weise den Kultmasken, die einen bestimmten, exaltierten Gesichtsausdruck zeigen. Hielte man den Blick aus, könnte man in den Gesichtern die Schrecken des Krieges erkennen. Auch Simon Starlings „Project for a Masquerade (Hiroshima): Designs for nine Masks“ aus dem Jahr 2010 führt in Kriegszeiten. Ein Ausgangspunkt für das Video und die Installation mit den neun Masken ist Henry Moores Skulptur „Nuclear Energy“, die Mitte der 1960er Jahre entstand und einen etwas uneindeutigen Charakter hat. Kann das Werk, das in Chicago am Ort der ersten kontrollierten atomaren Kettenreaktion aufgestellt ist, dort als Verherrlichung der Atomkraft gelesen werden, so verkaufte Moore später eine kleinere Version dieser Bronzearbeit an das Hiroshima Museum of Contemporary Art, wo es als Mahnmal fungiert. Starling verknüpft diese Historie einerseits mit einem klassischen Stoff des japanischen No-Theaters, andererseits mit realen und fiktiven Figuren des Kalten Krieges, darunter James Bond, Joseph Hirshhorn, der sein Geld kurz vor der Weltwirtschaftskrise in Uranvorkommen rettete und so ein Vermögen machte oder dem Kernphysiker Enrico Fermi. Rollen und mehr oder weniger gut maskierte Interessen fügen sich zu einem verschlungenen Erzählkosmos, während die neun Masken in einer japanischen Werkstatt geschnitzt werden.

Und wer glaubt, Masken würden nur in der Vergangenheit bei Ritualen eine Rolle spielen, kann sich von Susanne Weirichs Videoinstallation „Global Charcoal Challenge“ belehren lassen. Die in Berlin lebende Künstlerin hat aus dem Internet Sequenzen gesammelt, in denen Jugendliche sich unter großen Schmerzen eine Schönheitsmaske abziehen. Die Hoffnung auf das Ende pubertärer Hautunreinheiten verbindet sich mit dem geteilten Ritual des Abnehmens der Kohlemaske. Das Gesicht darunter ist nicht neugeboren und trägt noch die Züge der Anspannung, darin ähneln sie sich ein bisschen.