Keith Sonnier: Catching the Light – Sending and Receiving. Early Sculptures and Videos.
Kunstmuseum St. Gallen, Museumstr. 32, St. Gallen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 20. Oktober 2019.
1977, im Jahr der Entstehung von „Send/Receive Satellite Network“, wusste man, dass es komplizierter ist zwischen Sender und Empfänger als man noch in den 1940er Jahren gedacht hatte, als Claude E. Shannon und Warren Weaver ihr Kommunikationsmodell entwarfen. Es reichte nicht, Signale zu codieren oder zu decodieren, um Reaktionen auszulösen. Die Störungen zwischen Sender und Empfänger waren zu offensichtlich. Einerseits waren sie technischer Natur, andererseits politischer. Den Kunstschaffenden, die sich 1977 in New York und San Francisco trafen – unter ihnen befand sich Keith Sonnier – ging es um neue Technologien. Sie nutzten die Satellitentechnologie der Nasa, die ansonsten lediglich dem Militär, Unternehmen oder den Massenmedien zur Verfügung stand. Nicht aber „independant people like ourselves“, wie sie im Film betonen. Es ging also um Teilhabe auf der Ebene einer sozialen Bewegung und die Frage, wem Informationen gehören oder wem der Zugang zu ihnen offen steht. Aber auch um das Faszinosum der Simultaneität zwischen zwei gut 4.000 Kilometer voneinander entfernten Städten. Nicht nur wird in dieser Arbeit viel geredet und sich ausgetauscht, meist kann man die Dialoge simultan am Bildschirm mitlesen, es wird auch performt, Musik gemacht und getanzt. So wirkt einmal die senkrechte Teilung des Bildschirms wie eine Spiegelachse, die weit ausholenden Bewegungen der beiden Frauen ergänzen sich zu einem Ganzen.
Die Retrospektive von Keith Sonnier, nach 1994 ist es nun bereits die zweite im Kunstmuseum St. Gallen, heißt also mit einiger Berechtigung „Catching the Light: Sending and Receiving. Early Sculptures and Videos“. Das skulpturale Werk nimmt einen großen Teil der Ausstellung ein, die im Untergeschoss zu sehen ist und mit einigen Arbeiten auf das Obergeschoss übergreift. Aber auch frühe Videoarbeiten, Filme und Animationen aus den 1970er Jahren sind zu entdecken, die man vielleicht nicht auf den ersten Blick mit dem 1941 in Mamou geborenen Keith Sonnier verbindet. Sie zeigen, wie osmotisch die Zusammenarbeit der New Yorker Kunstszene in diesen Jahren war, der auch Richard Serra, Bruce Nauman, Richard Tuttle oder Eva Hesse angehörten. Man arbeitete prozessorientiert und mit jenen armen Materialien, die auch die Ästhetik von Harald Szeemanns Ausstellung „When Attitudes become Form“ 1969 in der Kunsthalle Bern bestimmten, an der Keith Sonnier teilnahm. Seine im Jahr darauf entstandene Installation „New York, Hook Up“ ist auch so ein derartiges Sender-Empfänger-Modell. Konisch geformte Lautsprecher kommunizieren mit Mikros. Ihre cleane Anmutung täuscht, denn sobald man sich in das Feld gibt, das sich zwischen Lautsprechern und Mikrophonen aufbaut, entstehen Töne, die sich desto stärker verändern, je mehr Menschen sich dort aufhalten und je mehr Bewegung dort herrscht. Weniger zeitlos wirken die verschiedenen Animationen und Videoarbeiten, die einerseits etwas an die frühen Filmexperimente der 1910er und 1920er Jahre erinnern, andererseits auf der Höhe ihrer Zeit sind. Sonnier arbeitete dafür Anfang der 1970er Jahre mit Computern und deren bildgebenden Verfahren. Das führte zu Artefakten, sich verändernden Bild- und Farbflächen, Bildrauschen, das im Fall von „Animation I“ von 1973 von Filmmaterial aus der Watergate-Affäre durchsetzt war.
Im Vergleich zu den Filmarbeiten greifen Keith Sonniers Leuchtstoffarbeiten einen zeichnerischen Aspekt auf, der sich auch bei „New York, Hook Up“ zeigt. Verändert man die Perspektive, erscheinen die Neonröhren von „Dis-Play“ mal mehr, mal weniger plastisch, verkürzt sich der Raum zur Linie. Wie der Ton so schaffen auch die grünen, petrol- und orangefarbenen Leuchtmittel ein Umfeld, je nach Farbton halten sie sich im Vordergrund oder weichen in den Hintergrund zurück. Was eben noch wie eine poppige Arabeske aussah oder das Zeichen einer neuen Zeit wird dann zur Skulptur. „Catching the Light“ klingt nach einem tollkühnen, geradezu utopischen Vorhaben, das Licht zu bändigen und es als Farbe zu präsentieren. Sonnier hat es umgesetzt.