Digital Imaginaries – Africas in Production: Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen

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11. März 2019
Text: Chris Gerbing

Digital Imaginaries – Africas in Production.
ZKM, Lorenzstr. 19, Karlsruhe.
Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag 14.00 bis 18.00 Uhr, Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 31. März 2019.
www.zkm.de

Der schwarze Kontinent erlebt derzeit einen rasanten, durch Digitalisierung geprägten Wandel, der aber nicht überall gleich verläuft, sondern von Land zu Land unterschiedlich ist. Dies verdeutlicht bereits die Tabelle, die im Eingangsbereich von „Digital Imaginaries – Africas in Production“ im ZKM zu sehen ist: Während in Südafrika 53 Prozent der Menschen das Internet nutzen und 142 Mobilfunkabonnements auf 100 Einwohner kommen, sind es im Kongo nur sechs Prozent bzw. 40 Abos. Julien McHardy, einer der Kuratoren der Schau, meint dazu: „Verschiedene Technologieentwicklungen führen zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen in den jeweiligen Ländern“.

Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen wird über das omnipräsente Mobiltelefon in seiner globalen Verbreitung sinnfällig visualisiert. Dabei schwingt mal eher unterschwellig, mal recht deutlich das Thema des Postkolonialismus mit. So symbolisieren die 54 Sterne auf den beiden den Eingangsbereich dominierenden „Pan African Flags“ die verschiedenen Identitäten der in den 54 Staaten Afrikas lebenden Menschen. Dagegen erzählen die Fotografien von Isaac Kariuki von einem fiktiven Hackerinnen-Kollektiv mit Hidschabs, die das Handy als Waffe verwenden. Damit wird aus der Serie unschuldig-naiver, an Modefotografien erinnernder Bildern ein Statement für die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Dass Digitalisierung auf Afrika übertragen auch die Entsorgung ausrangierter Elektronik bedeutet, machen sowohl François Knoetze wie Maurice Mbikayi und The Nest Collective deutlich. In Knoetzes Installation ist Elektronikschrott deckenhoch aufgetürmt, darin sind aber auch funktionierende Rechner untergebracht. Und die Filme, in denen er einen an den Voodoo-Kult erinnernden Zombie mimt, verweisen ebenfalls darauf, dass ausrangierte Technik aus Europa oder den USA in Afrika repariert, umfunktioniert und weiterverwendet wird, insofern mitnichten ein Abfallprodukt darstellt. Das machen auch die aus Computerkabeln bestehenden „Wandteppiche“ und die Kleidungsstücke aus Tastaturen von Mbikayi deutlich. Letztere verweisen auf das 1950er-Jahre-Idol Buffalo Bill und die damalige Protestkultur in Kinshasa, die der Künstler auf die heutige Gesellschaft mit ihren ökologischen und technologischen Krisen überträgt. Die kenianische Künstlerin im Kurzfilm von The Nest Collective bedient zwar einerseits ästhetische Erwartungen des westlichen Publikums, andererseits sind auch ihre in den Afro-Look eingeflochtenen Kabel deutliches Statement gegen die Vermüllung des Kontinents. Eindrücklich ist auch der mit Stacheldraht bewehrte Metallkäfig, mit dem Younes Baba-Ali einen Unort ins Museum überträgt. Zwar ist seine Installation von den Gated Communities in Johannesburg inspiriert, doch erinnert sie frappant an Guantanamo Bay – Überwachung inklusive, die ein südafrikanisches Sicherheitsunternehmen übernimmt, das hin und wieder über Audioansagen ins Live-Geschehen eingreift.

Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Afropixel Festival (Dakar) und dem Wits Art Museum (Johannesburg) realisiert, wo die Schau auch bereits zu sehen gewesen ist. Für jede einzelne Station wurden unterschiedliche Formate entwickelt. Im Vordergrund stand dabei die Produktionsidee, d.h. dass Künstler am einen Ort Workshop-Teilnehmer sein konnten, am anderen ein Kunstwerk entwickelten, andere im Verlauf der Ausstellungsstationen eine Arbeit schufen, die nun im ZKM die Vollendung erfährt. Davon berichten die großformatigen Projektionen, bei denen die unterschiedlichen Settings der Präsentationsorte in den Vordergrund rücken. Die vielschichtige Ausstellung macht deutlich, dass ein einheitlicher Blick auf Afrika zu kurz greift. Deshalb lädt sie mit unterschiedlichen künstlerischen Formaten zum Nachdenken sowohl über das Thema Postkolonialismus als auch über aktuelle Fragen von Umweltschutz, Ressourcenschonung, Recycling und zu transnationaler und interkontinentaler Zusammenarbeit ein. Mit ihrem nomadischen Leben können Künstler Vorbildfunktion haben und zur Auseinandersetzung mit Stereotypen und aktuellen Fragen anregen.