Isa Genzken.
Kunsthalle Bern, Helvetiaplatz 1, Bern.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 26. April 2019.
Sommerliche Unbeschwertheit strahlt sie aus, die Ausstellung von Isa Genzken (*1948) in der Kunsthalle Bern. Zumindest auf den ersten Blick. Im Grossen Saal im Erdgeschoss präsentiert die Künstlerin eine Szenerie mit Sonnenschirmen, Klappstühlen, Planschbecken und Plüschtieren. Die Installation entstand 2007 für die Skulptur Projekte Münster. Dort hatte Genzken sie auf dem Platz vor der St. Marienkirche arrangiert. Das Kunstpublikum reagierte damals schockiert. Denn so unbeschwert, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag, ist die Arbeit keineswegs. Die bunten Schirme sind zerrissen. Die Spielwaren wirken grell und billig. Was eben noch verlockend schien, zeigt auf den zweiten Blick ein bedrohliches Gesicht: die heitere Sommerszene erweist sich als Ansammlung von Abfällen und provoziert Gedanken an Gewalt, Verwahrlosung, Missbrauch. Ein Themenfeld, das auf einem Kirchenvorplatz besonders schwierig wirkt.
Die zusätzliche Wirkung, die ein Aussenraum, der durch Lage und Nutzung mit einer besonderen Bedeutung aufgeladen ist, einem Kunstwerk gibt, kann die Kunsthalle Bern natürlich nicht bieten. Aber sie kann etwas anderes: Sie kann zusätzlich zum Nachbau der Installation von 2007 das Modell zur Arbeit zeigen. Und das funktioniert wunderbar. Pendelnd zwischen Modell und Installation, Idee und Ausführung eröffnet sich ein besonderer Blick auf die Arbeitsweise Isa Genzkens.
Isa Genzken wird als wichtige Erneuerin der Skulptur gefeiert. Sie hat zahlreiche Werke für den öffentlichen Raum entworfen. Oft mit viel Scharfsinn und mehr Witz als manche Stadtplaner und Stadtbewohnerinnen und -bewohner offenbar ertragen können. In Bielefeld baute sie gegenüber der Stadthalle einen übergrossen Rasierspiegel auf – in dem das pompös-moderne Gebäude sich eitel spiegeln kann. Für Frankfurt entwickelte sie die spöttische Idee, zwei glitzerglatte Bankentürme mit einer profanen Wäscheleine zu verbinden. Eine schlichte, aber aussagekräftige Geste, die allerdings Idee blieb. Ebenso wie die Bäume aus Industrieschrott, die sie im Hafengebiet Brüssels aufstellen wollte oder die Disco, mit der sie dem „Ground Zero“ in New York neues Leben einhauchen wollte.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Bern zeigt realisierte Arbeiten für den öffentlichen Raum Genzkens ebenso wie solche, die Projekt geblieben sind. Alle als kleine, adrette Modelle auf weissen Sockeln. Das verleiht Genzkens eigenwilligen Auseinandersetzungen mit dem Stadtraum eine zusätzliche spielerische Note, ohne ihnen die intelligente Schärfe und den treffenden Witz zu nehmen. So niedlich manches in Modellgrösse wirken mag. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, wie Isa Genzken Poesie und Kritik, Präzision und Fantasie verbindet. Mit ihren Arbeiten bezieht sie sich nicht nur auf architektonische Eigenheiten und historische Bedeutungen von Städten und öffentlichen Räumen. Ihre Werke diskutieren die Kunst im öffentlichen Raum gleich mit. Zum Beispiel in einem Entwurf, den sie 1988 für die Stadt Amsterdam ersann: stählerne Riesentulpen bilden in diesem Konzept ein Spalier für die Autobahn. Zwischen den Tulpen sollten heruntergefallene Blätter liegen. Die Stadt Amsterdam zeigt sich damals wenig begeistert.
Heute sind monumentale Blüten im Stadtraum gewissermassen zu Isa Genzkens Markenzeichen geworden. Und die Künstlerin eine anerkannte Grösse in der Kunstwelt. Vor drei Jahren widmete die Bundeskunsthalle in Bonn Isa Genzken eine eindrucksvolle Ausstellung und zeigte Modelle aller für den Aussenraum konzipierten Projekte der Künstlerin. Valérie Knoll, Direktorin der Berner Kunsthalle, hat Teile dieser Ausstellung übernommen, und in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin durch eine Auswahl von Fotografien und Videos, Gemälden und Collagen ergänzt.