Der junge Picasso, Blaue und rosa Periode: Wie Picasso Picasso wurde

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2. März 2019
Text: Yvonne Ziegler

Der junge Picasso: Blaue und rosa Periode.
Fondation Beyeler, Baselstr. 101. Riehen / Basel.
Montag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 26. Mai 2019.
Katalog bei Hatje Cantz, Ostfildern 2019, 300 S., 60 Euro | ca. 86.90 Franken.

www.fondationbeyeler.ch

„Ich wollte Maler werden und bin Picasso geworden“ steht am Eingang zur Ausstellung der Fondation Beyeler, die sich mit den Jahren 1901 bis 1907 dem Frühwerk des spanischen Künstlers widmet, als Pablo Picasso (1881-1973) zwischen Spanien und Paris pendelt. Was macht die Marke „Picasso“ eigentlich aus? Maler ist er tatsächlich geworden. Mehr noch ein Maler, der sich immer wieder neu erfindet und dessen Erforschung von Kunst und Welt verschiedene Stile hervorgebracht hat. Diese Vielfalt eröffnet sich bereits im Frühwerk. Zwar wird es mit blauer und rosa Periode überschrieben, aber man kann genauer unterscheiden. Zudem ist Picasso in dieser Zeit Bildhauer geworden. Für sein Frühwerk war der Wechsel zwischen Malerei und Bildhauerei von zentraler Bedeutung, um künstlerische Fragen wie Raum, Volumen, Perspektive, Materialität, Detail und Ganzheit zu durchdringen. Das lässt sich von der autodidaktisch geschaffenen blockhaften, kleinen sitzenden Frau in ungebranntem Ton (1902) bis zu den grob geschnitzten Holzfiguren von 1907 beobachten, die seine Auseinandersetzung mit afrikanischer und iberischer Kunst verdeutlichen.

Zunächst jedoch fällt ein Selbstbildnis von 1901 auf: das klassische Halbfigurenporträt vor dunklem Hintergrund wurde in den kräftigen, pastos aufgetragenen Farben des damals in Paris beliebten postimpressionistischen Stils ausgeführt. Die malerische Lebendigkeit, Präsenz und Kraft der Künstlerpersönlichkeit wird durch den intensiven Blick der Augen gesteigert. Ein aufbrechender Künstler, der ausprobiert und selbstbewusst auftritt. Er kannte die Kunst seiner Zeit und übernahm, was ihm gefiel. Gleich daneben hängt ein Gemälde einer Kurtisane in seidiger Robe. Es ist 1901 in Madrid entstanden und wenn auch an manchen Stellen mehr plump als fein, spürt man die Aura von Velázquez und Goya. Im nächsten Saal besticht eine Absinthtrinkerin von 1901: Die Frauenfigur ist flächig gemalt. Vor sich hin sinnierend sitzt sie in körperlich unbestimmter Manier auf einem hölzernen Stuhl. Neben ihr steht ein heller runder Tisch mit Glas und Flasche, dahinter befindet sich ein Spiegel, der die Lichter des Raumes schemenhaft wiedergibt. Der Raum wird zur Fläche, in die sich die Körpervolumina von Frau, Glas, Tisch und Stuhl einpassen. Motivisch erinnert das Werk an Bilder von Manet und Degas, malerisch steht es Gauguin und Van Gogh nahe. Diese synthetisierende Anverwandlung künstlerischer Inventionen seiner und vergangener Zeiten wird immer wieder offenbar. Als sich im Februar 1901 sein Jugendfreund Carles Casagemas in Paris erschießt, schafft er sechs Monate später ein großformatiges blaues Gemälde im Stil einer christlichen Grablegung, das die Zweiteilung von El Grecos „Das Begräbnis des Grafen Orgaz“ aufnimmt: Unten sieht man eine Beweinung, oben eine Himmelfahrt. Der Verlust seines Freundes wird als Anstoß der ab Herbst 1901 einsetzenden blauen Periode angesehen. Tatsächlich entstehen eindrückliche Werke, die existentielle Themen wie Tod, Trauer, Einsamkeit, Armut und Krankheit darstellen. Die Räume um seine Figuren werden mystisch. Die Malweise bleibt flächig, die Figuren einsam trauernd. Eindrückliche, in sich gekehrte Gestalten. Auch sich selbst stellte er so dar. Dem Katalog ist zu entnehmen, dass die Kunst von 1890 bis 1900 von einem neuromantischen Blau besessen war und Picassos Bilder von vielen als zu spät kommende Sentimentalität des Fin de Siècle wahrgenommen wurden.

Mit der endgültigen Übersiedung nach Paris im April 1904, der Gefährtin Madeleine und der Bekanntschaft mit Apollinaire mischen sich Rosa- und Ockertöne in seine Bilder. Der Bildaufbau bleibt flächig, Raum und Figuren durchscheinend, Frauen wie Männer androgyn. Das Zirkusthema wird dominant. Es folgen mit der große Liebe, Fernande Olivier, ab 1906 weitere Stilarten: archaische, aufrecht stehende ockerfarbene Nackte in Gósol und schematisch vereinfachte Figuren, die das berühmte Werk „Les Demoiselles d’Avignon“ vorbereiten, das das Frühwerk abschließt. Die Ausstellung bietet die einmalige Möglichkeit, einem großen Künstler des letzten Jahrhunderts als jungem Mann über die Schulter zu blicken.