Julian Charrière & Julius von Bismarck

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8. Januar 2019
Text: Jolanda Bozetti

Julian Charrière & Julius von Bismarck.
Kunstpalais Erlangen, Marktplatz 1, Erlangen.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 24. Februar 2019.
www.kunstpalais.de

Auf dem Ausstellungsplakat sieht man die beiden Künstler in einem rötlich gefärbten Steinbruch. Selbstbewusst, neugierig und auch verschwindend klein stehen die beiden Männer staunend vor den hohen Steinmassen, die wie ein riesiger Schlund sich vor ihnen zu öffnen scheinen. Angst vor Naturgewalten oder vor überdimensional großen Projekten kennt weder Julian Charrière (*1987) noch Julius von Bismarck (*1983). Seit mehreren Jahren feiern sie international Erfolge. Beide studierten bei Olafur Eliasson, sie teilen sich ein Atelier in Berlin. In Erlangen haben sie nun eine fulminante Ausstellung eingerichtet. Ihre erste gemeinsame.

Es beginnt kraftvoll, fast gewaltvoll mit einer Fotografie aus der Reihe „Punishment“ (2011) von Julius von Bismarck. In den schäumenden Wellen am Strand von Rio de Janeiro steht der Künstler bis zur Hüfte im Wasser und peitscht das Meer aus. Das Bild dokumentiert eine Aktion, die den Künstler bis zur Erschöpfung im Kampf gegen die Wellen zeigt. Ein ähnlich absurdes Unterfangen machte sich Julian Charrière zur Aufgabe. Mit einem Lötkolben versuchte er, einen Eisberg im Arktischen Ozean zum Schmelzen zu bringen. Das Foto dieser Aktion reiht sich ebenso wie die Arbeit von Bismarcks in die Bildtradition der Romantik ein, verfolgt aber einen ganz anderen Ansatz. Die Landschaft ist hier nicht (mehr) Gegenstand ehrfürchtiger Betrachtung und das Verhältnis zwischen Mensch und Natur alles andere als harmonisch. Vielmehr zeigen von Bismarck und Charrière die Brutalität und oft auch Absurdität menschlichen Eingreifens in die Natur auf. Eindrücklich gelingt das Charrière mit der 2018 entstandenen Videoarbeit „Ever Since We Crawled Out“: Verschiedene historische Aufnahmen von Baumfällungen verdichten sich zu einer dramatisch aufgeladenen Montage, die den Moment der Schwerelosigkeit kurz vor dem Umkippen der jahrhundertealten Bäume betont und somit den Finger in die Wunde der nach Ressourcen gierigen Konsumgesellschaft legt.

Dass in gemeinsamen Arbeiten die doppelte Energie zu einer im wahrsten Sinne explosiven Mischung führt, erlebt man beim Rundgang im Untergeschoss. Für die Ausstellung im Kunstpalais entstand die neue Drei-Kanal-Videoinstallation „I Must Ask You To Leave“. Auch hierfür gingen die Künstler auf Reisen, diesmal wählten sie eine Steinwüste in Südamerika. Unzählige Arbeiter nehmen dort einen Eingriff in die Natur vor, doch unter umgekehrten Vorzeichen. Sie bauen Felsformationen nach, mit Unterkonstruktionen aus Eisen, Holz und Styropor, mit Ziegeln, Lehm und Farbe. Was auf natürliche Weise in Jahrtausende währenden Prozessen durch Erosion entsteht, wird hier zwar unter enormem Aufwand, aber in kürzester Zeit von Menschenhand geschaffen. Nach und nach beginnen die Grenzen von Natur und Künstlichkeit zu verschwinden, der absurde Anbau fügt sich Chamäleon-artig in die Landschaft ein. Wie alle Interventionen von Charrière und von Bismarck ist jedoch auch diese nicht von Dauer: zwei Räume weiter werden die künstlichen Felsen wieder gesprengt, das Ganze inszeniert als aberwitzige Vorführung: sechs leere Stuhlreihen, davor ein Ipod, der das gefilmte Geschehen als Miniaturbild aufzeigt, begleitet von einem umso lauteren Sound. Titel: „I’m Afraid“.