Moos als Interface: Eco-Visionairies im Haus der elektronischen Künste Basel

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29. September 2018
Text: Christoph Dieffenbacher

Eco-Visionairies: Kunst, neue Medien und Ökologie nach dem Anthropozän.
HeK – Haus der elektronischen Künste, Freilager-Platz 9, Basel-Münchenstein.
Mittwoch bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 11. November 2018.

www.hek.ch

Dieser Text erschien zuerst in der Basellandschaftlichen Zeitung.

Anthropozän, das vom Menschen gemachte Zeitalter: Dieser sich langsam etablierende Begriff bezeichnet die neueste Epoche der Erdgeschichte, die vor rund 200 Jahren begonnen hat. Gemeint ist, dass der moderne Homo sapiens mit seinen zerstörerischen Aktivitäten so stark auf biologische, geologische und atmosphärische Prozesse der Erde einwirkt, dass das noch in Hunderttausenden Jahren Folgen haben wird. Die Schlagwörter dazu sind bekannt: Klimaerwärmung, Luftverschmutzung, Rohstoff-Raubbau, Plastik-Meer.

Das Wort Anthropozän kommt auch in der aktuellen Gruppenausstellung „Eco-Visionaries“ im HeK vor – im Dreispitz, inmitten von Lagerhäusern, Ausfallstrassen und Autohäusern. Gezeigt wird, wie die Medienkunst auf die ökologischen Herausforderungen reagiert. Künstler und Künstlerinnen aus dem In- und Ausland setzen dabei neue Technologien und Medien ein, um auf die Probleme aufmerksam zu machen und Menschen zu sensibilisieren. „Wir alle haben genug Informationen und gesichertes Wissen über die ökologischen Bedrohungen. Die Ausstellung möchte zum Nachdenken anregen, aber auch emotionale Zugänge zum Thema herstellen“, sagt HeK-Direktorin Sabine Himmelsbach, die die Schau zusammen mit Karin Ohlenschläger und Yvonne Volkart kuratiert hat. Wir sollten lernen, von den Heilsversprechen der Technik zulasten der Umwelt wegzukommen. Viele Werke in der Ausstellung versuchen denn auch, mögliche Auswege anzudeuten. Ob schnell wachsende Wasserlinsen mit ihrem hohen Proteingehalt eine Lösung für die Nahrung der Zukunft oder eine alternative Energiequelle sein könnten, ist etwa eine Frage von Heidy Baggenstos und Andreas Rudolf, die sie in einer Installation stellen. Wasserlinsen hätten biologische Eigenschaften, die sie für die Reinigung von Gewässern interessant machen, und können Schwermetalle aufnehmen, sagt das Künstlerduo. Ein eigenartiges Gefühl löst die Installation von Vanessa Lorenzo aus: Man berührt einen Teppich aus Moos, und dieser beginnt dank Sensoren, Klänge von sich zu geben – das Moos als Interface. Aline Veillat fragt derweil in einem Gedankenexperiment nach der Beweglichkeit von Pflanzen. Ihre Topfpflanzen sind Roboter, die auf Geräusche, Licht und Lebewesen reagieren, indem sie erhaltene Daten in Bewegung umsetzen. Ähnlich funktionieren die Kleidungsstücke von Maria Castellanos und Alberto Valverde mit eingebauten Pflanzen, die mithilfe von Sensoren auf ihre Umwelt antworten – etwa mit einem Warnblinken.

Oft sind es die für uns nicht fassbaren Akteure der Natur, die sich durch neueste Technologie erst überhaupt darstellen lassen. Zum Vorschein kommen da verborgene Phänomene, die unsere Sinne nicht wahrnehmen können: Bakterien etwa, die kleinste Mengen an Strom erzeugen, verursachen kurze Bildstörungen in einem Video von Rasa Smite und Raitis Smits. Daneben verwandeln Marcus Maeder und Roman Zweifel den Wasserfluss in einer Fichte zu einer klingenden Komposition. Zu hören ist ein dunkles Rauschen, gelegentlich unterbrochen von einem harten Knacken – dann hat der Baum zu wenig Wasser und zeigt sogenannten Trockenstress an. Längere, eindrückliche Dokumentarvideos geben Einblicke in weitere Problemzonen der Erde; ins Leben von Albatrossen, die im nördlichen Pazifik an herumtreibendem Plastikabfall verenden, in einem Video des Filmemachers und Fotografen Chris Jordan. Und Ursula Biemann zeigt die Akustik des Meeres in den Lofoten, erklärt von einer Samin als Vermittlerin. Viele Arbeiten sind in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern entstanden und stützen sich damit selbst auf neue Technologien: auf verfeinerte digitale Messinstrumente, Sensoren und Mikroskope. Ohne Einsatz von Energie und Technik würde es die meisten Installationen wohl nicht geben – sie sind ein Teil dessen, was sie kritisieren. „Über einen nachhaltigen Umgang mit der Natur müssen wir uns alle gemeinsam Gedanken machen“, sagt Sabine Himmelsbach. So wäre die Kunst eine Möglichkeit, Menschen anzusprechen, einzubinden und zu einem veränderten Verhalten zu bewegen.