Transkulturale China-Deutschland: Silberzitronen und Reispapier

Review > Nürnberg > Kunstraum des Konfuzius Instituts
17. November 2018
Text: Jolanda Bozzetti

Transkulturale: Künstlerische Praxis zwischen China und Deutschland.
Konfuzius-Institut, Kunstraum, Pirckheimerstr. 36, Nürnberg.
Mittwoch bis Samstag 13.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 9. Januar 2019.

www.konfuzius-institut.de

Mit einer programmatisch ausgerichteten Schau hat das Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen seinen neuen Kunstraum eingeweiht. Das 2006 in Kooperation mit der Universität Erlangen-Nürnberg gegründete chinesische Kulturinstitut hat damit eigene Räume für Kunst und kann so den Kulturaustausch zwischen Deutschland und China stärken. Der neue Kunstraum soll dabei nicht nur Ort der Präsentation, sondern auch der Produktion von Kunst werden. Kunstschaffende aus China werden zu einer dreimonatigen Residency eingeladen, die mit einer Einzelausstellung endet.

Die Kunst hat der Gesellschaft oft Einiges voraus. Während vielerorts Ausgrenzung, Rassismus und rechte Ideologien stark werden, denken und arbeiten Künstlerinnen und Künstler mit einem globalen, multikulturellen Blick. Die vernetzte Welt der zeitgenössischen Kunst hat nationale Grenzen und kulturelle Schranken lange abgeschafft. Transkulturalität hingegen steht für ein dynamisches Kulturverständnis mit fließenden Grenzen.

Mit der Ausstellung „Transkulturale“ wendet sich Kuratorin Nora Gantert entschieden gegen Exotismen, die gerade bei zeitgenössischer Kunst aus China zum Tragen kommen. Vielmehr stehen die gezeigten Positionen für Leben und künstlerisches Arbeiten, das sich mit Selbstverständlichkeit zwischen China und Deutschland bewegt.

Alice Dittmar (*1978) lebt in Berlin, Beijing und Perth und bezeichnet sich selbst als Nomadin. Das Dazwischen ist der Ort, an dem ihre Kunst entsteht. In der Installation „Beijing Sky“ wird der Blick auf die Wolkenkratzer, den Himmel und die von Smog vernebelte Sonne über der 20 Millionen-Stadt zu einem ornamentalen Muster verzerrt, das eine wandfüllende Tapete bedeckt. Davor sind mit Scharnieren zwei Rahmen angebracht, in die Collagen aus zarten Reispapieren in Rosa, Gelb, Grau und Weiß eingespannt sind. Durch das Bewegen der Rahmen ergeben sich verschiedene Durchsichten zwischen dem traditionellen Medium Reispapier, das Dittmar als „Cultural Carrier“ verwendet und der abstrahierten Sicht auf die hochmoderne Metropole, unterschiedliche Perspektiven zwischen Tradition und Moderne.

Mit der Arbeit „Seed Garden“ thematisiert die in Köln lebende Künstlerin Echo Ho (1973) ein bekanntes Lehrbuch für klassische chinesische Malerei aus dem 17. Jahrhundert. „Der Senfkorngarten“ liefert genaue Zeichenvorlagen für die Darstellung von Bäumen, Blumen oder Steinen. Auf Grundlage dieser Motive gestaltete Ho aus Holz geschnitzte Stempel, die in der Ausstellung ein Ensemble skulpturaler Elemente bilden. In der Kombination mit Tuschezeichnungen und Stickereien werden die Stempeldrucke wiederum Teil feiner Kompositionen, die starre Vorlagen mit neuer Dynamik beleben. Der Shootingstar He Xiangyu (1986), der auch ein Studio in Berlin hat, bezieht sich mit „Lemon Pickers“ auf die Geschichte chinesischer Landarbeiter auf den Zitronenfeldern in den USA Ende des 19. Jahrhunderts. Im glänzenden Edelstahl der Zitronenabgüsse spiegelt sich die gelbe Acrylfarbe der Poster an der gegenüberliegenden Wand. Der Schriftzug „Yellow Revolution“ lässt sich sowohl in historischer als auch in gegenwärtiger Perspektive als gesellschaftskritischer Kommentar lesen. Als Fotografin begleitete Stefanie Schweiger (*1979) zahlreiche Künstlerinnen und Künstler durch ihren Alltag in Beijing, das auch für sie eine temporäre Wahlheimat war. Auf seidig glänzendem Stoff, Reispapier oder Zeitungspapier gedruckt und teilweise mit Texten kombiniert, fügen sich die Fotografien zu einer bildstarken Dokumentation über die Suche nach künstlerischer Freiheit in einem Land zwischen Tradition, Turbo-Kapitalismus und ständiger Überwachung.