100 Meisterwerke mit und durch Medien. Ein operationaler Kanon.
ZKM – Zentrum für Kunst und Medien, Lorenzstr. 19, Karlsruhe.
Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag 14.00 bis 18.00 Uhr, Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 10. Februar 2019.
Was macht ein Meisterwerk der Kunst aus? Bei Gattungen wie Malerei oder Skulptur füllt die Antwort ganze Bibliotheken – aber bei Medienkunst? Laut den Kuratoren Peter Weibel und Siegfried Zielinski muss diese vergleichsweise neue Kunst drei wesentliche Bedingungen erfüllen: „apparative Produktion, Distribution oder Rezeption“. Folglich findet sich in ihrer Ausstellung „Kunst in Bewegung“ eine schier unerschöpfliche Fülle unterschiedlichster Exponate, an denen die Entwicklung der Medienkunst technisch wie sinnlich nachvollzogen werden kann. Der Untertitel „100 Meisterwerke mit und durch Medien. Ein operationaler Kanon“ ist dabei Programm. Denn hier wird kein in Stein gemeißelter Überblick über die Geschichte der Medienkunst gegeben, sondern ein mäandernder Einblick in eine sich rasant verändernde Kunstform.
Ob Fotografie, Film, Musik oder digitale Kunst – was sich dabei durch alle postulierten Meisterwerke und deren Präsentation wie ein roter Faden zieht, ist die Bewegung: Nicht nur fingen die Bilder im Laufe des 20. Jahrhunderts mithilfe technischer Geräte selbst an, sich zu bewegen, auch die ursprünglichen Kunstbetrachter sind mittlerweile als aktive, mit fast allen Sinnen involvierte Hörer, Teilnehmer und Nutzer gefragt. Neben dem „pictorial“, „iconic“ oder auch „performative turn“ hat sich in die Kunst der Gegenwart fast unmerklich ein „partizipatorischer“ bzw. „interaktiver turn“ eingeschlichen, der die Kunstbetrachter und -hörer in dieser Ausstellung immer wieder aus ihrer kontemplativen Versenkung reißt und zum Aktivieren und Mitwirken animiert.
So kann anhand der Rekonstruktion einer mit Wasserdruck betriebenen autonomen Musikmaschine aus dem 9. Jahrhundert (Banu Musa ibn Shakir, ca. 850 n. Chr./2015) nicht nur ihre Technik, sondern auch ihre Funktion bewundert und gehört werden. Claude Shannons „Ultimate Machine“ (Rekonstruktion von 2018) lädt zur Betätigung eines „On“-Schalters ein, der von einem dadurch aktivierten, kleinen mechanischen Greifarm direkt wieder ausgeschaltet wird. In verschiedenen „Closed-Circuit“-Installationen werden die Besucher nicht nur zur Interaktion mit sich selbst eingeladen, sondern auch untereinander in Kontakt gebracht. In Paul Sermons „Telematic Vision“ (1993) können sie beispielsweise nebeneinander sitzen und miteinander kommunizieren, ohne sich tatsächlich physisch nahe zu sein, denn die Sitzgelegenheiten befinden sich auf unterschiedlichen Stockwerken. In diesen und vielen weiteren Arbeiten werden innerhalb einer Versuchsanordnung des Künstlers eindeutig die Betrachter zu Akteuren und Aktivierern des Kunstwerks.
In diesem Zusammenhang macht sich vor allem im obersten Stockwerk eine weitere Wendung bemerkbar: der „digital turn“. Ob die Besucher bei einem Parcours durch Scenocosmes Arbeit „Acusmaflore. Sensitive and interactive musical plants“ (2007) durch sanfte Berührungen hängender Pflanzen sphärische Klänge hervorbringen oder in der Installation „Luma2solator“ von PIPS:lab mittels diverser Lichtschwerter selber Kunst entstehen lassen – der Computer als „universelles Text-, Ton- und Bildwerkzeug“ (Weibel) ermöglicht durch interaktive Benutzeroberflächen, neuartige Projektionsmöglichkeiten und die Integration virtueller Realitäten die Erfahrung gänzlich neuartiger Bild- und Klangkunst und einen unterhaltsamen Ausblick in die Zukunft.
In ihrem Saaltext laden die Kuratoren ein, am „Forschungsdisplay zur Kunst in Bewegung im 20. Jahrhundert“ teilzunehmen. Und tatsächlich kann man die Ausstellung als eine Art interaktiver Momentaufnahme zum Stand der Forschung verstehen, für die zwar eine thematische Sortierung angelegt wurde, man sich als Besucher jedoch frei und spielerisch durch die meisterhafte Medien-Kunstgeschichte treiben lassen kann – informativ, äußert breit gefächert und eindeutig erlebenswert!