Adrián Villar Rochas, The Theater of Disappearence“: Kirche und Bunker

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1. August 2017
Text: Christian Gampert

Adrián Villar Rochas: The Theater of Disappearence.
Kunsthaus Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Bregenz.
Montag bis Sonntag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 27. August 2017.
www.kunsthaus-bregenz.at

Zumindest die Selbstinszenierung ist genial: Adrián Villar Rojas ist ein schmaler 35-Jähriger, der ausschließlich im grauen Kapuzenpullover auftritt, wobei die Kapuze hochgeschlagen zu sein hat. Ergo: Er sieht aus wie ein Mönch, er lebt ganz in seiner Kunst, nomadisch und weltweit unterwegs, um die eher unfrohe Botschaft vom Weltuntergang zu predigen. „The Theater of Disappearence“ heißt seine jüngste Schau. Schon im Vorfeld hatte Villar Rochas verkündet, er werde das doch ziemlich kahle Kunsthaus Bregenz in eine Kirche, aber auch in einen Bunker verwandeln – was also einerseits gut zum Mönchtum, andererseits auch zur Apokalypse passt. Der Aufwand dafür ist beträchtlich: Im Kunsthaus musste die Kasse abgeräumt und ein loderndes Feuer entzündet werden. Tonnen vorzeitlicher Steine mit eingebackenen Ammoniten, Schnecken, stabförmigem Getier wurden herangekarrt – wobei der Stein des Weisen sicher besser gewesen wäre. Aber Villar Rochas‘ Verkündigung ist ja eine andere: die Welt werde zurückkehren in einen prädiluvialen Zustand, und bis es soweit ist, vertreibt sich der Prophet die Zeit noch ein bisschen mit merkwürdigen Kunst-Events, die möglichst gigantomane Ausmaße haben müssen. Rudolf Sagmeister, der Kurator, schildert die Zusammenarbeit mit Villar Rochas als entbehrungsreich, aber offenbar lohnend.

Im völlig ausgeräumten Parterre ist der Boden großräumig bemalt mit einem Madonnen-Gemälde des Renaissance-Künstlers Piero della Francesca; Villar Rojas’ Hilfskräfte haben diese „Madonna del Parto“ sorgfältig auf hölzerne Bodenplatten kopiert, völlig überdimensioniert, was dazu führt, dass der Besucher über das Gemälde hinwegschreitet und die schwangere Madonna wahrhaftig mit Füßen treten kann. Die Glasfassade bunt wie ein Kirchenfenster, der Holzboden rissig und schrundig, künstlich hergestellte Wunden, die das Vergehen der Zeit bewusst machen sollen.

Wer aus diesem sakralen Raum hinaufsteigt in den ersten Stock, befindet sich in einem düsteren Ambiente, ausgelegt mit rötlich-grauen Marmorplatten, in und auf denen versteinerte Fossilien angebacken sind, seit Jahrtausenden. Villar Rochas hat die Blöcke in Marokko aus dem Fels schneiden, in Quadratform bringen und dann nach Bregenz schaffen lassen. Hier bilden sie nun ein dunkles Panorama, eine urzeitliche Felslandschaft mit prähistorischen Schalentieren und Schildkröten – die aber, obwohl authentisch, ein bisschen wie das Setting für einen Film aussieht. Die Decken-Lichter sind überwuchert von Efeu und Schlingpflanzen, alles ist fürchterlich geheimnisvoll – und natürlich aufwendig hoch drei.

Villar Rojas‘ Kunst besteht vorzugsweise aus Zitaten. Die Höhlenmalereien von Lascaux kommen vor; im nächsten Stock ist dann Picassos Antikriegsbild „Guernica“ die Referenz. Davor lodert eine ganze Reihe ewiger Lichter wie für den unbekannten Soldaten, ein rituelles Lagerfeuer, das die Museums-Techniker wegen der dafür erforderlichen Abzugs- und Belüftungsanlage offenbar halb in den Wahnsinn trieb. Die Wärmeentwicklung ist jedenfalls beträchtlich, man fühlt sich wie in der Sauna. Aber Villar Rochas darf das.

Im Lagerfeuer-Raum steht auch noch ein versteinerter Baumstumpf. Um ihn herum ein modern designter runder Glastisch, vor diesem schicke Liegesessel wie von Mies van der Rohe, aber aus Marmor. Hier treffen sich offenbar die Ritter von der Tafelrunde oder Manager auf Zeitreise oder Banker auf Event-Urlaub. Im letzten, ganz in Weiß gehaltenen Saal dann vier Rampen, die zu den Beinen des „David“ von Michelangelo führen, mittels Computer-Programm aus Carrara-Marmor geschnitten. Da sind wir dann wieder in der Renaissance, aber der Körper der Michelangelo-Figur ist verschwunden.

Adrián Villar Rochas begreift sich als Konzeptkünstler. Warum das Kunsthaus Bregenz sich seinem juvenilen Größenwahn unterwirft und ihn finanziert – das ist das eigentliche Geheimnis dieser Ausstellung. Die Geschichte der Menschheit ist hier nur ein Event-Parcours.