Jessica Wolfelsperger

Porträt
25. Mai 2017
Text: Dietrich Roeschmann

Jessica Wolfelsperger beim Swiss Photo Award an der Photo Basel, Volkshaus Basel, Rebgasse 12-14, Basel.

Ein weiblicher Rückenakt in rauer Küstenlandschaft, unscharf abfotografierte Fotografien aus dem Familienalbum, ein Hund bei Nacht am Straßenrand, die Züge grell überblendet vom Blitz – keine Frage: Jessica Wolfelsperger hat ein Faible für entrückte Bilder, die wie Schnappschüsse aus einer fernen Traumwelt wirken. Unklar bleibt dabei, ob diese Bilder eher der Logik der Selbstvergessenheit eines unbeschwerten Tagtraums folgen oder dem nächtlichen Sog ins Unbewusste mit all seinen unkalkulierbaren Wendungen ins Absurde oder Bedrohliche. „Soulscapes” nennt die in Berlin lebende Baslerin das Terrain, das sie mit ihrer Kamera erkundet. Man könnte es auch die Topografie der Gefühle nennen. Ein schönes Beispiel für die betörende Intimität ihres Blicks ist die Schwarz-weiß-Serie „Lonely Planet”, für die sie im Frühjahr den Swiss Photo Award in der Kategorie Fine Arts erhielt. „Mehr oder weniger jeder von uns kennt Zeiten, in denen wir uns einsam fühlen”, sagt sie. „Es kann einfache Gründe haben, wie Abwesenheit von zu Hause oder Probleme mit Freunden, Familie oder Arbeit. Wir können uns emotional von unserer Umgebung abgeschnitten fühlen. Oder das Gefühl haben, das, was in uns vorgeht, nicht mit anderen teilen zu können”. Ihre Serie visualisiere dieses Gefühl der Isolation. „Einsamkeit existiert und ist kein kleines Problem. Es ist eine Unterernährung unserer Seele”, sagt Wolfelsperger, die an der Technischen Kunsthochschule in Berlin Fotografie und an der Universität der Künste „Curating” studierte. Diese doppelte, sowohl künstlerische als auch kuratorische Perspektive auf die Themen, die sie in den Fokus nimmt, lässt ihre Arbeiten auf bemerkenswert offene Weise zwischen Empathie und Analyse schweben.