George Steinmann: Botschaft und Verbergen

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15. Mai 2017
Text: Julia Hochstenbach

George Steinmann.
Die Mobiliar, Bundesgasse 35, Bern.
Montag bis Freitag 8.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 16. August 2017.
www.mobiliar.ch

Bislang genügten die Bio-Linie und vereinzelte soziale Projekte, seit ein paar Jahren aber schmücken Unternehmen sich mit „Nachhaltigkeit“ auch in Bezug auf gesellschaftliches Engagement größeren Stils, das unter dem Etikett CSR, Corporate Social Responsibility, firmiert. Mit dem „Aldi-Kind“ oder Migros‘ „Generation M“ wird aktive ökologisch-soziale Mitgestaltung versprochen, verleihen Firmen sich selbst die Rolle von Erziehern und Helfern. So angebracht hier Skepsis sicher ist – die konkreten Projekte sind oftmals überzeugend. Bei der Schweizer Versicherung Mobiliar wurde 2013 eigens eine Abteilung für CSR eingerichtet, zu deren Kernstücken die seit Jahrzehnten aufgebaute, beeindruckend große Kunstsammlung gehört; denn mit Kunst fördere man Nachdenken, Andersdenken, Dialog. Seither werden hier unter dem Reihentitel „Kunst und Nachhaltigkeit“ zweimal jährlich wechselnd zeitgenössische Werke ausgestellt.

Die jüngste Ausstellung widmet sich dem Berner Künstler George Steinmann (*1950), der seine Zeichnungen, Installationen oder Projekte im öffentlichen Raum aus ökologisch-gesellschaftlichen Fragen, Forschung und vernetzender Kommunikation speist. So realisierte er von 2002 bis 2006 im Rahmen eines Studienauftrages in der Nähe von Interlaken den Bau einer Bachbrücke nebst einer Klause, deren Entstehungsprozess auch die explizite Teilnahme der nahen Dorfgemeinde einschloss. 2015 folgte er einer Einladung für eine künstlerische Intervention bei der Weltklimakonferenz COP21 in Paris. Eine Tisch-Installation, in der sich Gläser mit verschiedenen Quellwassern und -substanzen aufreihen, zeugt von 30 Jahren Beschäftigung mit dem Thema Wasser, und für seine Bilder experimentiert er mit Naturstoffen wie Heidelbeersaft, Schellack, Bündnerschiefer Val Clozza, Dolomitkalk Val S-Charl oder der Quellsubstanz Vih. Künstlerisch bewegt Steinmann sich in wunderbaren Zwischenreichen – zwischen Recherche, Vortrag, Sammellust und Phantasie, zwischen säuberlicher Reihung, spielerischem Verstreuen und Installation. Oder auch immer wieder zwischen Botschaft und Verbergen, recht nahe der Frage nach der Wahrheit zeitgemäßer Firmenimages. Handgeschriebenes etwa wird mit Zeichen übersät, übermalt und zerknittert oder mit Kalk oder Schellack völlig opak überdeckt, so dass der Betrachter von seinem Nichtwissen erfährt. So interessant und geistig agil Steinmanns Projekte sind, erstaunen das teilweise etwas Kantenlose seiner Werke oder darin zu lesende Slogans wie „Der Nachhaltigkeit eine Seele geben“ oder „Taking responsibility for the vulnerable“, deren Plakativität auch zerknittert und beklebt nicht gebrochen wird: auch dies im Zwischenreich, irgendwo zwischen innerer Wahrheit und äußerem Bild, und darin vielleicht gar nicht so weit entfernt vom titelgebenden Begriff der Nachhaltigkeit.