Stephen Cripps, Performing Machines: Potenzial von Zufall und Zerstörung

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25. März 2017
Text: Simon Baur

Stephen Cripps: Performing Machines.
Museum TinguelyPaul-Sacher-Anlage 1, Basel.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 1. Mai 2017.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2016, 192 S., 38 Euro | 48 Franken.

Wer das Museum Tinguely betritt, kann neben zahlreichen Maschinen des legendären Basler Künstlers auch einen Doppeldecker bemerken, der in Rückenlage unter der Decke schwebt. Es handelt sich bei dem Flugzeug um eine „Bücker-Jungmann“, die einige Zeit im Atelier von Jean Tinguely hing. Sie hätte durchaus auch ins Atelier von Stephen Cripps (1952-1982) gepasst, nur hätte sie dieser direkt in seine Installationen und Performances eingebaut. In der ihm gewidmeten Ausstellung sind Skizzen und eine Filmcollage zu „Notes on a dance for jets and helicopters“ zu sehen, die Cripps in den Jahren 1970 bis 1982 beschäftigt haben. Seine Idee sah Kampfflugzeuge und Militärhubschrauber als fliegende, sich drehende und landende Protagonisten einer tänzerischen Performance vor.

Natürlich erinnert diese martialische Konzeption an den Eisenbahnwagen, der oben auf „Le Cyclop“ steht, der Gemeinschaftsarbeit von Jean Tinguely, Niki de Saint Phalle und anderen im Wald Milly-la-Forêt bei Paris. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Eisenbahnwaggon keine lebensbedrohenden Tänze veranstaltet. Stephen Cripps interessierte sich für Maschinen und Feuerwerk, für das ambivalente Potenzial von Zufall und Zerstörung, für Happenings und Minimal Music. Besonders faszinierten ihn die Geräusche der modernen, mechanischen Welt. Für seine militärischen Maschinentänze wollte er noch einen Schritt weitergehen und Bombenabwürfe und Schleudersitzausstiege inszenieren, wobei das Publikum auf der Startbahn sitzend, dieses Spektakel per audiovisuelle Liveübertragung verfolgen sollte. In seiner kurzen Schaffenszeit, baute Cripps Maschinen und interaktive Installationen und realisierte pyrotechnische Performances, die teils in der Art der Happenings, wie wir sie von Yves Klein kennen, vorgeführt wurden. Eine davon ist in der Ausstellung im Museum Tinguely in einer fünfminütigen Filmaufnahme von William Raban aus dem Jahr 1981 zu sehen. Sie fasziniert nicht nur durch ihre bruitistischen Effekte, sondern illustriert die Komplexität, die Happenings Cripps‘ in Ton und Bild festzuhalten. Gleichwohl würde man sich mehr solcher bewegter Bilder in der Ausstellung wünschen. Nur wenige haben stattgefunden und das ist auch eine der Ursachen, dass Stephen Cripps erst dank der Kooperation zwischen dem Henry Moore Institute in Leeds, wo sich sein Nachlass heute befindet, und dem Museum Tinguely, wiederentdeckt wurde. Unvorstellbar, dass sich Performances mit Kampfhelikoptern und realen Bombenabwürfen nicht in das kollektive Kunstgedächtnis eingeschrieben hätten.

In etwas zu stark abgedunkelten Räumen – verbindet sich mit einer solchen Wiederentdeckung doch eher Helligkeit – wird eine fantastische Fülle von Materialien sichtbar: Fotografien, Diaserien, Collagen und Skizzen, die nur in wenigen Fällen über Konzeptionsstudien hinausgehen und nur sehr bedingt als autonome Kunstwerke funktionieren. Überhaupt fühlt man sich bei seinen Arbeiten weniger an Jean Tinguely, dafür vielmehr an Joseph Beuys erinnert. Cripps befasst sich nur selten mit technischen Aspekten, die Energie, die innerhalb eines Kunstwerks wirksam wird, ist zentraler für sein Schaffen. Leider sind keinerlei Maschinen und viel zu wenig Filme zu sehen. Dass die Ausstellung dennoch möglich wurde, ist dem Engagement der Kuratorin Sandra Beate Reimann zu verdanken, die mit weitreichenden Recherchen Cripps’ Werk erschlossen hat und als wohl wichtigstes Dokument einen brillant gemachten Katalog, dessen Gestaltung vor allem die zahlreichen Dokumente sprechen lässt, die Ausstellung begleiten lässt. Er wird auch in Zukunft das zu Unrecht unbekannte Werk Stephen Cripps‘ greifbar und der weiteren Forschung zugänglich machen.