Michael Krebber, The Living Wedge: Der Malerfürst als Gerücht

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22. März 2017
Text: Helen Lagger

Michael Krebber.
Kunsthalle Bern, Helvetiaplatz 1, Bern.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Samstag und Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 30. April 2017.

Ein Mann mit hellem adrettem Haar in dunkelblauer Kleidung stellt sich der versammelten Presse in der Berner Kunsthalle vor. Es ist Michael Krebber, ein 63-jähriger Kölner Künstler, der heute in New York lebt. Statt über Malerei spricht er zuerst eine Runde über Dandytum. Beim Wort Dandy denkt man gemeinhin an einen Beau, an einen Snob oder Bonvivant à la Oscar Wilde. Den um Worte ringenden Künstler Krebber bringt man damit nicht in Verbindung. Der Dandy sei im ursprünglichen Sinne eine Figur, die sich nicht festlegen lasse. Der österreichische Schriftsteller Oswald Wiener sprach vom Typus des „unsichtbaren Dandys“.

Nicht sichtbar war Krebber tatsächlich während geraumer Zeit. In den wilden 80er-Jahren, als Köln ein wichtiges Kunstzentrum war, kannte Krebber die Szene, und die Szene kannte ihn. Als Künstler war er hingegen wenig präsent. „Ich hatte kein Werk“, sagt er lakonisch. Oder wie Kunsthalle-Direktorin Valérie Knoll es formuliert: „Er führte ein Doppelleben als Gerücht.“ Was stellt ein Gerücht her? Wer sich jetzt auf leere Wände in der Kunsthalle einstellt, irrt. Krebber ist Maler, ein Maler wider Willen. Die Ausstellung „The Living Wedge“ – zu Deutsch „Der lebende Keil“ – präsentiert Arbeiten aus 30 Schaffensjahren von 1986 bis 2016. Keine Retrospektive, sondern eine fragmentierte Übersicht soll die mit dem Serralves Museum of Contemporary Art in Porto organisierte Schau sein. Malerei, Stoff- und Textilbilder sowie Skulptur in Form von am Boden positionierten Surfbrettern gehören zum Kosmos Krebber. Der Einfluss von Künstlern wie Sigmar Polke, Markus Lüpertz oder Martin Kippenberger ist sichtbar.

Die verschwurbelten Titel mit Bezügen zu Literatur, Musik oder zur eigenen Befindlichkeit lassen ihrerseits Bilder im Kopf des Betrachters entstehen. „Ich habe nie Begleitung. Ich habe Magenprobleme“, (2003) lautet etwa der Titel zu einer auf Leinwand gespannten und bemalten Bettgarnitur. Das Motiv? Eine Gepardenmutter mit ihren drei Jungen. Ein grossartiger Kitsch. Die Geschichte zu diesem Werk ist voller Ironie: Das Werk entstand im Hinblick auf eine Kunstmesse, auf denen es bekanntlich ums „Jagen“, um „Fette Beute“ geht. Die Jungtiere könnten für die Jungstars stehen, die an solchen Messen angepriesen werden.

Was auf seiner Leinwand landet, ist mal exzessiv, mal minimalistisch. Zwei „Gehirne“ auf weissem Grund kann man in „Untitled“ von 1986 erkennen. „Funny Cide 4“ ist der offensichtlich frühzeitig abgebrochene Versuch, das Cover einer Kunstzeitung auf Leinwand zu bannen. Dass Krebber vor seinem eigenen Erfolg Assistent beim deutschen Ausnahmekünstler Martin Kippenberger war, hat ihn geprägt. Drei zusammengenähte Kinderhosen thematisieren die Vater-Sohn-Beziehung zwischen ihm und dem jung verstorbenen Kunst-Zampano. Mit Krebber präsentiert Valérie Knoll auch einen Blick auf die Werte einer Künstlergeneration, die mal aus Trotz entgegen dem Zeitgeist malte, mal gleich ganz die Kunstproduktion verweigerte. Doch gehört dieser „Blick zurück“ in die Kunsthalle, die sich gemeinhin jüngeren Positionen verschreibt? Durchaus. Krebber passt insofern, da er ein wiederentdeckter Insider ist und seine Strategien aktuell bleiben.

Bei der Werkserie „MK/M (2014)“ denkt man an Andy Warhols Ironie. Krebber hat grossformatig zu Kunst erhoben, was an Kritzeleien von Papeteriekunden erinnert, die einen Neonstift ausprobieren. Er habe sich zeitlich beschränkt beim Sprayen im Atelier, um die Nachbarn nicht zu stören, rechtfertigt Krebber die scheinbaren Schnellschüsse.

Warum heisst die Schau „The Living Wedge“ – „Der lebende Keil“? „Ich stand mal bei einem Fest zwischen Wohnzimmer und Balkontür. Damit diese nicht zuschnappte und die Raucher isolierte, stellte ich mich dazwischen und bezeichnete mich als lebenden Keil. Toller Titel“, habe jemand gemeint.