Susanne Paesler, Retrospektive: dem Rapport nach

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18. Februar 2017
Text: Annette Hoffmann

Susanne Paesler, Retrospektive.
Schauwerk Sindelfingen, Eschenbrünnlestr. 15/1, Sindelfingen.
Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 22. Januar 2017.
www.schauwerk-sindelfingen.de

Susanne Paesler (1963-2006) ist niemand, der vor dem Rapport Angst gehabt hätte. Gliederketten auf türkisfarbenem Grund wiederholen sich auf ihren Bildern wie auf Foulards, Streifen in Grün und Altrosa ergeben ein Karomuster. Diese beiden Ausschnitte liegen in unterschiedlichem Maßstab auf einer Grundfläche von hellem Pink. In einer anderen, ebenfalls 1994 entstandenen Arbeit läuft ein nicht minder grafisch wirkender Reißverschluss durch einen Karostoff. Lucio Fontana hatte noch mit einem kühnen Schnitt die Leinwand geschlitzt, Paesler teilt den Stoff Zähnchen um Zähnchen. Darunter ist ein weißer Keil sichtbar geworden. Kann man auch wieder hochziehen. Ironischer geht es kaum. Man kann es nicht übersehen: hier stellt eine Malerin die Frage nach der Illusion und ob hier überhaupt eine geschaffen wird.

Bevor Paesler an der Städelschule bei Thomas Bayrle, Jörg Immendorff und Isa Genzken studierte, war sie auf der Hochschule Mainz für Gestaltungs- und Kommunikationsdesign eingeschrieben. Sie behandelt die Drippings eines Jackson Pollock kaum anders als ein Stoffmuster. Sie malt mit Lackfarbe auf Aluminium Kleckse und Spritzer nach und auch noch gleich den Rahmen dazu. Schließlich ist der Abstrakte Expressionismus nichts anderes als jede andere reproduzierbare Marke. So viel zur männlich dominierten neueren Kunstgeschichte. Heute wirkt ihre Malerei sehr gegenwärtig und konsequent. Das Kunstmuseum Bonn hat der Künstlerin zusammen mit dem Schauwerk Sindelfingen eine Retrospektive anlässlich des zehnten Todestages eingerichtet. Paesler gehört zu der großen Zahl postum entdeckter Kunstschaffender, die ja so häufig weiblich sind. Es wäre wohlfeil zu sagen, heute würde die Künstlerin nicht mehr unterschätzt werden.

Stoffe haben in der Malerei eine ganz besondere Tradition. Doch Susanne Paesler interessiert sich weder für deren Symbolwert oder die Farbe noch für die raumschaffende Illusion. Sie schaut auf den Rapport wie eine Stoffdesignerin. Sie hat das Muster der Berliner U-Bahn-Sitze auf ihre Bildträger übernommen wie die Tartans der Burlington-Socken. Im Schauwerk Sindelfingen stehen Vitrinen mit ausgeschnittenen Anzeigen von Chanel bis Shiseido. Paeslers Farben sind die der aktuellen Saison. Sie behandelte scheinbar kunstferne Codes so als könnte man an sie die Fragen der abstrakten Malerei stellen. Die Künstlerin begann in einer Zeit zu malen, in der jedes Bild schon vorhanden war. Mit großer Konsequenz negierte sie alles Subjektive: reproduzierte Muster, malte mit Lack auf Aluminium. Das ist kühl, intellektuell, aber eben auch von einer großen, geradezu fröhlichen Ästhetik. Nach einem Japan-Aufenthalt entstand eine vergleichsweise freiere Malerei, in der der Mond zum sich wiederholenden Motiv wurde. Und auch ihr letztes Werk ist in Sindelfingen zu sehen. Es stammt aus ihrem Todesjahr und erinnert an zwei hintereinander hängende Kandelaber, deren Grundform jeweils auf eine Art Arabeske reduziert ist, die jedoch bunteste Kreissegmente, Blätter und Blüten treibt.