Lynette Yiadom-Boakye

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4. Januar 2017
Text: Heidi Brunnschweiler

Lynette Yiadom-Boakye.
Kunsthalle Basel, Steinenberg 7, Basel.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 12. Februar 2017.
www.kunsthallebasel.ch

Die Malerei von Lynette Yiadom-Boakye (*1977)  konzentriert sich auf die menschliche Figur. Aus der Erinnerung an Fotos, Kino- und Fernsehbilder sowie Gemälde alter Meister setzt sie ihre fiktionalen Charaktere zusammen. Für die Kunsthalle Basel hat die britisch-ghanaische Künstlerin einen neuen Werkbestand geschaffen, der im historischen Oberlichtsaal optimale Strahlkraft entfaltet. Die Malerei als traditionellstes Kunstmedium beweist einmal mehr seine Aktualität für heutige Darstellungsfragen.

Yiadom-Boakyes schwarze und braune Körper sind meist vor einen dunklen Hintergrund gesetzt, der durch die tonige Farbpalette an die abendländische Landschaftsmalerei erinnert. In der Gesamtschau entsteht so ein fragmentiertes Gesellschaftspanorama von erfunden Personen mit Porträtcharakter, die sich teilweise gegenseitig anschauen. Viele von ihnen stehen mit dem Rücken zum Betrachter oder sind – ins Profil gedreht ‒ wie Jean-Baptiste-Siméon Chardins Kartenspieler traumartig in ihrer Tätigkeit versunken. Nur selten blicken sie uns an. Die pointierten Posen könnten von Schauspielern oder Bühnenkünstlern sein. Ihre auffälligen Kleider, Accessoires wie Fuchspelzkragen oder Tierattribute bieten sich unsere Fantasie als Miniszenen von zukünftigen Romanen oder Kurzgeschichten an. Neben der Malerei arbeitet Yiadom-Boakye denn auch als Dichterin. Ihre lyrischen Gemäldetitel ‒ oft Wortspiele mit literarischen Bezügen – eröffnen weitere vielschichtige Assoziationsräume. 

Auch für die Basler Ausstellung hat die Künstlerin sich mit den Darstellungskonventionen der Porträtmalerei auseinandergesetzt: Es gibt mehrheitlich Männergestalten in allen möglichen Formaten: Ganzfiguren, Knieporträts, Büsten oder Kopfausschnitte. Besonders reizvoll ist das Diptychon „Harp-Strum“ an der Stirnwand des Oberlichtsaals. Als Hybrid aus Henry Raeburns „Rev. Robert Walker beim Schlittschuhlaufen“ in der Schottischen Nationalgalerie und Degas‘ Tänzerinnen kommen die Figuren einem bekannt vor. Textur und Gestaltung sind Cezannes Malweise als Methode der Bildraumgestaltung verwandt. Als bestritten sie eine Revue, bewegen sich die beiden Schauläuferinnen graziös, aber energisch scheinbar im Takt der Musik aufeinander zu. Flüchtig und reduziert ist ihre Bewegungsintensität erfasst. Yiadom-Boakyes Gemälde entstehen denn auch wie On Kawaras „Day-Painings“ in einem Tag.

In der Geschichte der westlichen Porträtmalerei war die Darstellung von Dunkelhäutigkeit lange mit rassistisch exotischen Stereotypen belegt, wie jüngst selbst die „Dada-Afrika“ Ausstellung in Zürich zeigte. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden afro-amerikanischen Maler wie Kerry James Marshall zu einer befreiend selbstinszenatorischen Porträtdarstellung. Yiadom-Boakye nutzt diese doppelte Bildtradition, um über die Repräsentation von Personen mit dunkler Hautfarbe heute und in der westlichen Kultur-, Gesellschafts- und Kunstgeschichte nachzudenken.