Sebastian Dannenberg

Porträt
6. Juni 2016
Text: Dietrich Roeschmann

Sebastian Dannenberg u.a.: Allerbeste Aussichten.
Kunstraum Alexander Bürkle, Robert Bunsen-Str. 5, Freiburg.
Dienstag bis Freitag, Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 18. September 2016.

Man muss den Glauben an die Jugend nicht verloren haben, um zu behaupten, dass es für jeden Skater irgendwann vorbei ist mit dem entspannten Abhängen an unwirtlichen Plätzen und dem permanenten Scannen des öffentlichen Raums nach Architekturdetails für den ultimativen Slide. Doch auch wenn das Brett seit Jahren in der Ecke steht: Es bleibt immer etwas hängen. Wie eine Phantomempfindung. Und sei es nur das Gefühl der Hand an der gebogenen Rundung des Bretts, das Bild einer verblassenden Spur von feuchten Wheels auf dem Asphalt nach dem Ritt durch die Pfütze – oder auch das beiläufig erworbene Wissen über Strategien der Selbstorganisation in der Subkultur.

Sebastian Dannenberg, 1980 in Bottrop geboren, hat sein Board schon lange nicht mehr benutzt. Auch weil ihm irgendwann die Zeit fehlte. Erst kam die Ausbildung zum Kunstpädagogen, dann das Studium an der Freiburger Außenstelle der Akademie Karlsruhe und seine Beteiligung an diversen Off-Spaces, bevor er schließlich an die HfK Bremen wechselte, wo er 2015 Meisterschüler von Stefan Baumkötter war. Seine Abschlussarbeit „in reverse”, eine Malereiinstallation, die mit der minimalen Andeutung eines dunkelgrünen Quastenstrichs an der Wand und einer Carrerabahn-artig in den Raum gebauten Holzstruktur sowohl die Einheit des Bildes als auch seine Auflösung behauptete, wurde für die Absolventenbiennale in der Bonner Bundeskunsthalle ausgewählt und mit einem Förderpreis des Bundes prämiert. Die Installation war typisch für Dannenbergs raumbezogene Arbeit am Bild, mit der er neben der jeweiligen Ausstellungssituation immer auch seine Spuren aus dem urbanen Raum und dem Echoraum der Malereigeschichte reflektiert. Das Interesse daran begleitet ihn schon lange. Im Herbst 2010, noch in den ersten Semestern in Freiburg, malte er in einer Gruppenschau im Kunstverein Achim in spiegelverkehrten Lettern den Slogan „Are You Serious” an die Wand und stützte das Bild mit einem Lattengerüst ab, das wie die Hinterkonstruktion einer Werbetafel wirkte. Die installative Verschränkung von Skulptur und Malerei, mit der er hier die Schwelle zwischen Fläche und Raum, Innen und Außen, Vorne und Hinten als den eigentlichen Ort der Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Bildes und seiner Wahrnehmung markierte, prägt seine Arbeiten bis heute. 

Was sie eint, ist ihr Beharren auf der Gleichzeitigkeit von objekthafter Präsenz und Diffusion, die sich im betont nachlässigen, oft ausfransenden Farbauftrag seiner Wandbilder ebenso deutlich zeigt wie in seinem Faible für die Arbeit in situ. Im Kölner Vorgebirgspark etwa realisierte Dannenberg 2013 eine gut 20 Meter lange Malerei, die horizontal auf einem Holzgerüst wie ein Fremdkörper durch die Grünanlage schnitt, zugleich aber den Blick auf die Topografie des Geländes lenkte, die sie gewissermaßen modellhaft nachbildete. Auch andere ortsbezogene Arbeiten wie die als Halfpipes zwischen die Wände gebogenen Bildträger von „auto reverse” (2014), die von minimalistischen Gipskartonkonstruktionen überdachten Wandbilder seiner „Shop”-Serie oder die spiegelverkehrten Billboard-Fakes, die derzeit im Freiburger Kunstraum Alexander Bürkle zu sehen sind, lassen sich als temporäre Malereiinszenierungen verstehen, die unscheinbare Formen und Oberflächen aus dem urbanen Alltag als Bild in den Raum falten, sich dort für abenteuerliche Slides und Grinds durch die Bildtheorie anbieten, um dann nach dem Übermalen und der Demontage beim Betrachter nichts anderes zu hinterlassen als die produktive Unfähigkeit, Bilder zu sehen, ohne Räume zu denken.