Pipilotti Rist: Pixelwald Wisera. Als würde sich ein Video in Raum auflösen

Pipilotti Rist, Pixelwald Wisera, 2025 Video-Audio-Installation, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, © Courtesy the artist, Hauser & Wirth and Luhring Augustine / VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Kunsthalle Bremen / Tobias Hübel
Review > Bremen > Kunsthalle Bremen
12. März 2025
Text: Rainer Beßling

Pipilotti Rist: Pixelwald Wisera.
Kunsthalle Bremen, Am Wall 207, Bremen.
Dienstag 10.00 bis 21.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Dauerhafte Installation.

www.kunsthalle-bremen.de

Pipilotti Rist, Pixelwald Wisera, 2025 Video-Audio-Installation, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, © Courtesy the artist, Hauser & Wirth and Luhring Augustine / VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Kunsthalle Bremen / Tobias Hübel
Pipilotti Rist, Pixelwald Wisera, 2025 Video-Audio-Installation, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, © Courtesy the artist, Hauser & Wirth and Luhring Augustine / VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Kunsthalle Bremen / Tobias Hübel

[—artline Nord] Die Sammlung der Kunsthalle Bremen ist gewachsen. Anlässlich des 200-jährigen Bestehens des Kunstvereins Bremen im Jahr 2023 er­möglichte ein Kreis von Förderern den Erwerb von „Pixelwald Wisera“. Dass es bis zur Präsentation eine Zeit brauchte, deutet auf die Komplexität der In­stallation von Pipilotti Rist (*1962) hin. Dass der Titel den althochdeutschen Namen der Weser nutzt, erscheint angesichts der Technologie fast wie eine ironische Pointe. Oder sieht die Künstlerin in dem aufwendigen Zusammenspiel aus Licht und Form, Farbe und Klang, Raum und Bewegung einen Ort, in dem Empfindungen ausgelöst werden, die auch aus zeitlosen Naturerfahrungen resultieren?

Auf dem Weg zu der Raumarbeit passieren die Besuchenden Zero-Kunst, die das Bild auf Anfang stellt und eine Brücke zwischen Konkretem und Kosmischem schlägt. Die Passage führt auch an Arbeiten von Nam June Paik vorbei, einem der wichtigsten Vertreter der Videokunst-Pioniere, an die Pipilotti Rist und ihre Generation anknüpfen. Erinnert wird damit an die Ära des ehemaligen Bremer Kunsthallen-Direktors Wulf Herzogenrath. Der Videokunst-Kenner machte das Bremer Museum zu einem wichtigen Ort des Mediums. 2011 lud er Pipilotti Rist ein, ein neues Werk temporär einzurichten, „mit projizierten farbenfrohen Video-Collagen aus Bilderfolgen, die die Natur und Landschaft in ungewohnter Perspektive erfrischend lebendig und anregend zeigen“, wie er mitteilt. Ihn freue, „dass jetzt das aktuelle Environment erworben werden konnte“.

An dem „Pixelwald Wisera“ aus dem Jahr 2025 angekommen, fallen erneut die Farben als anregende und vitale Licht- und Raumereignisse auf. Schon vor der Installation ist es kaum möglich, eine souveräne Betrachtungsposition einzunehmen. Die „Pixel“ in Gestalt von organisch anmutenden, handgemachten Formen generieren permanent neue visuelle Konstellationen, ohne dass ein konsistentes Bild erkennbar würde. Hinzu kommen darauf abgestimmte Klänge, die verschiedenste Stimmungen schildern oder Empfindungen hervorrufen. Die Anordnung der Pixel gleicht hängenden Fadenformationen, Vorhängen, die durchlässig sind und Wegenetze bilden. Die Licht-Aktionen werden durch den Boden aus schwarzen Keramikplatten gespiegelt und vervielfältigt, einen Boden, der weniger verlässliches Fundament ist als abgründiges Display.

Dass dieser Raum und seine elektronischen Mitspieler „Lust zum Eintauchen und Verweilen“ machen, wie die Pressemitteilung der Kunsthalle annimmt, mag für alle zutreffen, die an immersive Erlebnisse in diversen Unterhaltungsarchitekturen gewöhnt sind. Der Weg in die Installation ermöglicht ein anderes Bilderlebnis, das aber auch von der eigenen Disposition und von den Mit-Besuchenden abhängig ist. Hier ist unmittelbar erfahrbar, was es heißt, wenn ein Video die Wand verlässt und sich in 3000 Pixeln im Raum verströmt. Hier ist direkt spürbar, wenn die Verweigerung des einen zusammenhängenden Bildes die Aufmerksamkeit auf die eigene Wahrnehmung richtet. „Im Bilde zu sein“ heißt hier nicht, alles zu wissen, sondern eher, vielem im Modus des Ahnens und Spürens zu begegnen. Hier werden mehr die eigenen Sinne greifbar als der „Sinn“ des Gegenüberliegenden. Hier stellt sich heraus, inwieweit die Betrachtenden selbst entscheiden und souverän agieren oder sich treiben lassen. Dass der Titel der Installation „Wald“ beinhaltet, überrascht. Dass zur verständlichen Vermittlung des Werks auf „Stalaktiten“ und damit Höhlen verwiesen wird, ist gleichfalls gewöhnungsbedürftig. Wobei es ja nicht um Formparallelen, sondern um Empfindungsanalogie geht. Neben dem unmittelbaren sinnlichen Erlebnis und Impulsen für eine analytische Beschäftigung mit dem Bildbegriff bietet die Installation nach den Worten der Künstlerin noch etwas anderes: „Dieses Konzept versöhnt uns Menschen und das Weltall mit den allgegenwärtigen eindimensionalen Bildschirmen.“