Sandra Knecht: Home is a foreign place.
Kulturstiftung Basel H. Geiger, Spitalstr. 18, Basel.
Mittwoch bis Montag 11.00 bis 18.00 Uhr.Bis 27. April 2025.
www.kbhg.ch
Zur Ausstellung ist eine Publikation erschienen: Hatje Cantz Verlag, Berlin 2025, 288 S., 32 Euro | ca. 61.90 Franken.
Geschmack ist nichts, über das man gerne spricht, wenn es um zeitgenössische Kunst geht. Lässt sich objektiv über Kunst reden, wenn alles auf ein Geschmacksurteil heruntergebrochen werden kann? Oder wenn sich Kunst gar entzieht, indem es die Abweichung von dem, was üblicherweise als schön empfunden wird, zelebriert? Für die Schweizer Künstlerin Sandra Knecht (*1968) hat der Geschmack keinen derart schlechten Leumund. Denn Knecht hat sich in die Kunstwelt hineingekocht. Als sie vor einigen Jahren am Klein-Basler Rheinhafen das Pop-up-Restaurant „Chnächt“ aufmachte, hatte sie bereits Kunst studiert, um von ihrer Arbeit als Sozialpädagogin zu pausieren, wie sie in der Publikation „Home is a foreign place“ erzählt. Das Künstlerinbuch ist anlässlich ihrer Einzelausstellung in der Kulturstiftung Basel H. Geiger erschienen. Das Kochen wie auch das Miteinander am Tisch war Knecht, die im Baselbiet auf einem Hof lebt, den sie auch bewirtschaftet, vertrautes Terrain. In dieser aufwändig inszenierten gleichnamigen Einzelschau geht es um Heimat und Fremde. Ihr jeweiliger Geschmack ist einander womöglich ähnlicher als man denkt.
Auf ihrem Hof in Buus hält und verarbeitet Sandra Knecht Tiere. Die Hühner, mit denen sie sich auf den Fotos inszeniert, wurden kurz darauf von ihrer Freundin geschlachtet. Tiere werden auf dem Land fast unweigerlich mal vom Fuchs geholt und vom Mittelalter bis in die Neuzeit für Bauopfer zur Schadensabwehr getötet. Bei Renovierungen werden solche mumifizierten Katzen in Wänden oder in der Nähe des Kamins gefunden. Zusammen mit einem alten Hühnerei, Gucci-Schuhen sowie einem vertrockneten Granatapfel hat Knecht mehrere dieser Katzen in Basel auf dem Boden ausgebreitet. Das Physische und Materielle ist für ihre Kunst wichtig. Sei es, indem sie ihre Vorratskammer in den Ausstellungsraum transferriert, von eingelegten Kapernersatz, Holunderblüten bis hin zu verschiedenen Essigmuttern, sei es durch ein Bienenhaus, das so abseitig gelegen war, dass es unter dem Radar des Heimatschutzes lag und von Knecht gekauft werden konnte. Knecht hat es nun in der Kulturstiftung Basel H. Geiger wieder aufgebaut. Es ähnelt einem Wohnhaus und soll auch die Bienen domestizieren, die ganz andere Strukturen bauen würden, wenn man sie nur ließe. „Willst du Fleiss und Ordnung sehen, musst du zu den Bienen gehen“ steht auf dem Giebel.
Zu Knechts Materialien gehören auch die Geschichten, die sie mit diesen Objekten erzählt. Sie handeln von Außenseiterpositionen und Wahlverwandtschaften. Sandra Knecht ist lesbisch, versteht sich selbst mit SVP-Politikern in ihrem Dorf und hat Freundinnen, die Arbeiten von Louise Bourgeois besitzen. Berichtet sie von ihrem ländlichen Alltag, ist viel vom Fallen die Rede: von den Unfällen, die sie mit dem Velo und dem Motorrad auf der Landstraße hatte (ein verbeulter Helm ist auch Teil der Ausstellung), von dem Lämmchen, das sie nach einer Sturzgeburt auf dem Weg zum Stall barg und dem Huhn Babettli, das im Moment, als der Fuchs es holte, noch ein Ei fallen ließ. Das Huhn entkam und starb dann an Altersschwäche, das Ei jedoch ist in der Ausstellung zu sehen. Knecht erzählt von dem panischen Schrecken und wie man ihn übersteht. Ihre Narrative sind geformte, gut geölte Erzählungen, oft vorgetragen, und reihen sich in diejenigen ein, die sich Menschen von ihrer Existenz und ihrer Umwelt und nicht zuletzt von sich selbst und ihrem Leben machen. Ganz selbstverständlich inszeniert sich Sandra Knecht mit einer „Wüeschte“-Maske, die in der Zentralschweiz während der Raunächte getragen wird. Ganz ähnlich gehörnte Dämonen kennt man auch in anderen ländlich geprägten Gegenden. „Home is a foreign place“, der Titel ihrer Ausstellung, ließe sich auch umdeuten: jede Heimat ist mit dem Fremden vertraut.