Precious Okoyomon, One either loves onself or knows oneself: Schwarze Schmetterlinge hinter Gittern

Precious Okoyomon Bregenz
Precious Okoyomon, I wanted to kill but had nothing to kill, 2025, Ausstellungsansicht „One Either Loves Oneself or Knows Oneself“ im Kunsthaus Bregenz, 2025, Foto: Markus Tretter, © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz, Courtesy the artist
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27. Februar 2025
Text: Julie Metzdorf

Precious Okoyomon: One Either Loves Oneself or Knows Oneself.
Kunsthaus Bregenz, Karl Tizian Platz, Bregenz.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 25. Mai 2025.
www.kunsthaus-bregenz.at

Precious Okoyomon
Precious Okoyomon, the world requires something of me and I’m looking for a place to lie down, 2025, Ausstellungsansicht „One Either Loves Oneself or Knows Oneself“ im Kunsthaus Bregenz, 2025, Foto: Markus Tretter, © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz, Courtesy the artist
Precious Okoyomon
Precious Okoyomon, the world requires something of me and I’m looking for a place to lie down, 2025, Ausstellungsansicht „One Either Loves Oneself or Knows Oneself“ im Kunsthaus Bregenz, 2025, Fotos: Markus Tretter, © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz, Courtesy the artist
Precious Okoyomon
Precious Okoyomon, in the belly of the sun endless, 2025, Ausstellungsansicht „One Either Loves Oneself or Knows Oneself“ im Kunsthaus Bregenz, 2025, Foto: Markus Tretter, © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz, Courtesy the artist

Die wuchernde Installation von Precious Okoyomon (*1993) war für viele Besucher`*innen ein Höhepunkt der Venedig-Biennale von 2022. Ganz am Ende des Arsenale hatte die damals noch nicht einmal 30-jährige Künstlerin* aus New York einen Garten angelegt, inklusive Felsen, kleinen Bächen, Schmetterlingen und Pflanzen, mit denen sie die Auswirkungen der Sklaverei auf das Ökosystem Nordamerikas in den Blick rückte. Jetzt hat das Kunsthaus Bregenz der aufstrebenden Künstlerin* seinen Bau für die Schau „One Either Loves Oneself or Knows Oneself“ überlassen. Tatsächlich geht es tief hinein in die Psychologie des Menschen. Das Hauptmotiv: Kuscheltiere. Zu Dutzenden hängen sie von der Decke herab, auf Augenhöhe der Besucher*innen. Man kann zwischen ihnen umherwandeln, wie durch einen Wald emotionaler Gefährten. Keine Fertigware aus dem Spielzeugladen, sondern Individuen, zusammengenäht aus den Fragmenten verschiedener Tiere: kleine Köpfe auf großen Rümpfen, Hasenohren auf Katzenköpfen. Doch es sind keine gruseligen Zombies, sondern süße, individuelle Fantasiewesen, Und: Sie alle haben Flügel aus echten Federn. Doch dann gefriert die ganze Wärme der Assoziationen schlagartig zu Eis: Die Stricke, an denen die Plüschtiere hängen, sind mit einer Henkerschlinge um ihren Hals geknüpft. „Die Arbeit berührt viele Ebenen, Gewalt, Absurdität“, sagt Okoyomon. „Und es sind Engel! Sie haben Flügel. Man kann einen Engel nicht töten. Es wurde versucht sie zu töten, aber: sie fliegen und es gibt diese kleine Bewegung durch die Motoren.“

Precious Okoyomon hat nie eine Kunstakademie besucht, sondern Pataphysik studiert, eine Art absurdistisches Philosophie- und Wissenschaftskonzept als Gegenstück zu den modernen Wissenschaften. Hinzu kommt ein großes Interesse an Psychologie und Psychoanalyse, an Träumen und den Ideen Carl Gustav Jungs. Gleich im Eingangsbereich des Museums werden die Besuchenden in Analysekabinen von „Existential Detectives“ befragt: Waren Sie schon einmal an einem Ort, an dem Sie nicht hätten sein sollen? Wer war für das Leid ihrer Mutter verantwortlich? Fragen, in denen es um Wahrnehmung geht, um Vergangenheit und Identität. Die Tapete an den Wänden hat Precious Okoyomon selbst gestaltet, sie zeigt kleine süße Teufelchen: C.G. Jungs Schatten der Koexistenz von Gut und Böse stehen hier für vieles Pate. Die zweite Etage des Museums verspricht Entspannung. Ein rosa Plüschteppich und ein riesiger brauner Teddybär laden zum Verweilen ein, die Tatzen in Herzform, aus seinem Bauch kommt ein sphärischer Beruhigungssound. „Als Kind war ich ganz besessen von meinen Kuscheltieren“, sagt Okoyomon. „Es waren echte Schutzwesen für mich, wir sind oft umgezogen, aber ich hatte immer die gleichen Kuscheltiere bei mir.“ Okoyomons Arbeiten haben nichts Bombastisches oder Überwältigendes, sie treten eher leise auf – und berühren vielleicht gerade deshalb so stark. Themen wie Kolonialismus, Rassismus und Identität stecken darin, aber nie vordergründig, die Dinge werden mit Wärme und Positivem verquickt. Und so spaziert man am Ende durch einen künstlichen Garten, ein Kiespfad schwingt sich durch das Gemisch von tropischen und heimischen Pflanzen, die Luft ist voller Schmetterlinge. Man muss schon genau aufpassen, um zu bemerken: Es sind ausschließlich schwarze Schmetterlinge. Optimal versorgt verbringen diese Symbole der Freiheit hier die Zeit von der Verpuppung bis zum Tod – in einem Käfig. Auf der anderen Seite des Raums ein Video: ein Rundflug über Ohio, am Steuer des Kleinflugzeugs: Precious Okoyomon. Aus dem Off hören wir Okoyomon eigene Gedichte rezitieren. Die Besucher aber können dieses Video nur durch ein netzartiges Gewebe sehen – sie bleiben auf der Seite der gefangenen Schmetterlinge.

Precious Okoyomon nimmt sich selbst ernst. Das ist für Künstler*innen nicht ungewöhnlich, es ist im Grunde die Basis erfolgreicher Kunst. Doch Okoyomon geht einen Schritt weiter: Die Ausstellung will auch die Besuchenden dazu bringen, angstfrei in sich hineinzuhorchen, und alle Aspekte des eigenen Wesens anzuerkennen. Es ist erstaunlich wie gut das funktioniert.