Public Arp: Synthese aller Künste

Review > Appenzell > Kunstmuseum Appenzell
3. September 2019
Text: Bettina Maria Brosowsky

Public Arp. Hans Arp – Architekturbezogene Arbeiten.
Kunstmuseum Appenzell, Unterrainstr. 5, Appenzell.
Dienstag bis Freitag 10.00 bis 12.00 und 14.00 bis 17.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 3. November 2019.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Public Arp,Scheidegger & Spiess, Zürich 2019, 176 S., 38 Euro | ca. 39 Franken.

www.kunstmuseumappenzell.ch

Glückliches Appenzell! Hier steht nicht nur eine Architekturpreziose, das 1998 fertiggestellte Kunstmuseum der Zürcher Architekten Gigon/ Guyer, eine Stiftung des Mäzens Heinrich Gebert (1917–2007) sorgt auch für die Autarkie dieses Hauses sowie der Kunsthalle Ziegelhütte. Nun zeigt das Museum die nach eigenen Angaben ambitionierteste Ausstellung seit Bestehen: Es thematisiert erstmals die Werkgruppe der ortsspezifischen, architekturbezogenen Arbeiten des deutsch-französischen Malers, Grafikers, Bildhauers und Lyrikers Hans Arp (1886-1966) an ihren internationalen Standorten.

In den zehn Kabinetten des Museums entfaltet sich anhand historischer wie aktueller Fotografien und insgesamt 100 Exponaten der assoziative Rundgang durch neun Hauptwerke Arps, die er im Kontext von Sakral- und Bildungsbauten in enger Abstimmung mit den jeweiligen Architekten realisierte. Bis auf ein ganz frühes Werk sind sie Arps spätem Schaffen zuzurechnen, reflektieren immer wieder Themen seines ganzheitlichen Denkens, stets in humanistisch geistiger Durchdringung mit feiner, humorvoller Note.

Der überzeugte Pazifist Hans Arp gehörte zum Künstlerkreis, der 1916 in Zürich den Dadaismus begründete. Dem Grauen des Ersten Weltkrieges wurde mit aufbegehrenden Kunstformen, absurden Aktionen und sarkastischem Witz begegnet. Hier entstand auch Arps erste ortsfeste Realisierung für das Pestalozzi-Schulhaus: ein Wandbild gegenstandsloser Geometrie, außermittig eine klare, weiße Kreisform in ansonsten verhaltener Farbigkeit. Das Leben Hans Arps ist exemplarisch für ein europäisches Schicksal, erfuhr tragische Einschläge während des NS-Terrors. Mit seiner ersten Frau und ebenbürtigen Künstlerkollegin, Sophie Taeuber, lebte Arp ab 1926 in Frankreich, beide flohen 1940 in den nicht okkupierten Süden, 1942 nach Zürich. Seelisch und körperlich entkräftet, erlag Taeuber dort 1943 einer Gasvergiftung. Arps künstlerischer Elan war gelähmt, der Bereich der Plastik lag zeitweilig brach. Ab 1944 beschäftigten ihn abstrakte, flächig schwarze Tuschezeichnungen, Trauer und Angst brachen sich Bahn. Ab etwa 1946 trat die Farbe Weiß hinzu, sie vermochte das bedrückende Schwarz zu bannen, die geistig seelische Ebene in Arps konkreter Kunst. Die Wiederaufnahme seiner plastischen „Concrétion Humaine“, die organisch anthropomorphe Form, und die helle, befreiende, sich beständig transformierende „Wolke“ zeugen ab den 1950er Jahren von neuem Schaffenswillen. Für die Universität in Caracas konnte Arp nun mehrere Werke realisieren, seine große Bronze „Wolkenhirt“ auf dem Campus, etwa, vereint Natur und menschlichen Intellekt.

Ende der 1950er Jahre setzt die produktivste Phase der ortsfesten Arbeiten im Œuvre Arps ein, das Relief für den UNESCO-Hauptsitz in Paris entstand oder auch die zweiteilige Arbeit für ein vom Büro Walter Gropius entworfenes Gemeinschaftsgebäude der Harvard Universität: organische Formen, geometrisch gebändigt, teils mit ausgeschnittenen Binnenformen. Sie wurde später entfernt, erstrahlt derzeit perfekt restauriert in der Harvard Research Gallery und bietet so zum Bauhausjubiläum eine Referenz an die Synthese aller Künste an, die Arp und Gropius seit dem frühen 20. Jahrhundert bewegte. Arps größtes ortsspezifisches Werk wurde 1960 die etwa 30 Meter lange Wolkenkonstellation am Audimax der TU Braunschweig. Als „Nachtstück“ konzipiert, diente dem hellen Wolkenzug aus weiß bemaltem Metall anthrazitfarben gestrichener Beton als Hintergrund. Leider wurde es bei weiteren Baumaßnahmen tiefgreifend verändert: nun sind die Wolken dunkel, der Beton hellgrau. Es war aber gerade Arps existentielle Dialektik: Weiß, welches Schwarz zu zivilisieren vermag, das die geistig so versöhnliche Essenz dieses Werkes ausmachte. „Gut und Böse verbinden sich zum Wesentlichen“, so Hans Arp einmal.