Dieter Jung: Träger des Virtuellen

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12. März 2019
Text: Chris Gerbing

Dieter Jung.
ZKM – Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Lorenzstr. 19, Karlsruhe.
Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 2. Juni 2019.

www.zkm.de

Mehr als in wohl jedem anderen Medium ist die Holografie vom Blickwinkel auf das Exponat abhängig. Es ist eine Frage der Perspektive, ob nur aufgestellte Glasscheiben oder ein Kosmos mit Tiefensog zu sehen ist, der den zweidimensionalen Träger vergessen lässt. Dieser Träger jedoch erlaubt es auch, virtuell um das dargestellte Objekt zu gehen und es teilweise oder ganz von allen Seiten zu sehen. Bei der Holografie handelt es sich nicht um eine andere Form der Fotografie, sondern der Abbildung, die bedingt ist durch die Wellen, die das Licht aussendet. Sie bilden ein Muster, das sich auf dem Hologramm durch Lichteinfall spiegelt und dadurch sichtbar wird.

Nach der Holomedia (1986) und der Überblicksschau zur Holografie aus der eigenen Sammlung (2013) werden nun im ZKM mit der Einzelausstellung zu Dieter Jung (*1941) die Möglichkeiten und die Vielfalt, die in diesem Medium liegen, aufgeblättert: Das Licht, die Farben, die Bewegung im Raum und der Raum selbst sind Bestandteile seines Werks, an denen er seit den 1960er Jahren gearbeitet hat und die ihn zum Pionier der Holografie machen. Als solcher wird er mit der Werkschau geehrt, die auch die vielfältigen Bezüge, die zwischen seinen Arbeiten bestehen, erstmals aufarbeitet. Das „Aufgabengebiet“ beim Betrachten eines Hologramms liegt, so Jung selbst, beim Zuschauer: „Wahrnehmen und teilnehmen“ ist sein Motiv und Anliegen gleichermaßen – deshalb ist die Ausstellung auch treffend „Be­tween and Beyond“ betitelt. Von den frühen Zeichnungen der 1960er Jahre über Gemälde und Buntstiftzeichnungen der darauffolgenden Jahrzehnte zeigt die Ausstellung von den Hologrammen und Mobiles bis zu einer eigens fürs ZKM eingerichteten Lichtinstallation einen breiten Querschnitt, der Jungs rund 60 Jahre andauernden Schaffensdrang bis heute eindrücklich belegt.

Otto Piene, an dessen Center for Advanced Visual Studies am MIT in Cambridge Dieter Jung einige Jahre tätig war, bezeichnete diesen als „Lichtmagier, als Holografie- und Friedenszauberer“. Was Piene damit meinte, aber auch die mit der Holografie konnotierbare „Ästhetik der Abwesenheit“, wird greifbar, wenn Jung Gedichte von Hans Magnus Enzensberger im Raum schwebend, scheinbar aus dem Nichts auftauchen lässt. Analog oder digital, die Grenzen von Malerei, Grafik und Zeichnung überschreitend, auch in der Holografie neue Wege gehend, sie mithilfe von Spiegeln und als Mobiles im Raum erlebbar machend: Dieter Jungs Werke sind, auch vor dem Hintergrund von Augmented Reality, ein kleiner Blick in eine Zukunft, in der die Grenzen von virtuell und real in Teilen neu definiert werden müssen. Es ist eine „kuriose Ambivalenz zwischen Präsenz und Abwesenheit“ (Frank Popper), denen der Betrachter in Jungs Werken mit seiner eigenen Bewegung im Raum im Wortsinn nachgehen kann.