Gae Aulenti. Ein kreatives Universum

Gae Aulenti, Interieur für den Olivetti Showroom in Paris, 1966/67, Courtesy of Archivio Gae Aulenti, Foto: © RM Fotografia
Review > Weil > Vitra Design Museum
2. Juli 2020
Text: Annette Hoffmann

Gae Aulenti. Ein kreatives Universum.
Vitra Design Museum, Charles-Eames-Str. 2, Weil.
Montag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 18. April 2021.

www.design-museum.de

 

Die Präsentation von Gae Aulentis Arbeiten im Schaudepot des Vitra Design Museum in Weil erlaubt Vergleiche. Da gibt es eine Nähe zum Art déco, aber auch die Distanz zu ihren italienischen Kollegen der Gruppe Memphis, von denen sie das Verspielte trennte. Doch modernistisch wirken ihre Design auch nicht. Man merkt ihnen an, dass sie für Situationen entworfen sind und nicht modellhaft sein sollen. Als Gae Aulenti (1927-2012) in Mailand an der Politecnico 1954 ihr Architekturstu­dium beendete, war sie eine von zwei Frauen unter 18 Männern. Sie weigerte sich, sich selbst als „weibliche Architektin“ zu verstehen. Gaulenti arbeitete als Redakteurin beim Magazin Casabella und schuf viele Entwürfe für Schauräume bekannter italienischer Unternehmen wie Olivetti. Sie setze sich mit den Erfordernissen der Bühne auseinander und lernte theatralische Räume zu verstehen und wie man sich in ihnen bewegt. Dass sie erst 1970 ein eigenes Büro eröffnete, mag mit der männlichen Prägung der Architektur zu tun zu haben. Fast könnte man glauben, Aulenti hätte nie richtig Platz gehabt und einen besonders ökonomischen Umgang mit dem Raum. Denn viele ihrer Objekte vereinen mehrere Funktionen miteinander. „Giova“ von 1964 ist ein solcher Hybrid, die obere Schale, die auf der Lampe aufliegt, ist eine Vase. Fotos aus ihrem Mailänder Apartment zeigen, dass Aulenti sie selbst in dieser Doppelfunktion nutzte. Und „Rimorchiatore“ ist drei Jahre später zudem noch ein Aschenbecher. Da gab es wohl Bedarf bei Aulenti. Das Utensilo hat zudem die Skyline einer futuristischen Stadt. Platz war für Aulenti tatsächlich kein Problem, zu ihren größten Aufgaben gehörte 1980 die Umwandlung eines ehemaligen Bahnhofs in ein Museum. Das Musée d’Orsay führt dann noch zu weiteren Aufträgen für Museen in Venedig und Barcelona.

In Weil werden diese architektonischen Entwürfe nur angedeutet, der Platz inmitten des Schaudepots ist begrenzt. Doch die präsentierten Objekte, unter ihnen sind elegante Verpackungen der Kosmetikmarke Rochas aus den 1970er Jahren, aber auch ihr gläserner Couchtisch „Tavolo con ruote“, der mit seinem Industriecharme ein bisschen wie ein Ready Made wirkt. In Gae Aulentis Werk gibt es Entwürfe, die organisch wirken, andere testen Möglichkeiten neuer Materialkombinationen aus. Es gibt es nicht das Design, das im Kern für all das einsteht, was ihre Kreativität ausmacht, obwohl Gae Aulenti einige ikonische Entwürfe geschaffen hat. Ihre gestalterische Intelligenz fand für jede Situation, jeden Auftrag eine eigene Lösung, oft unter Rückgriff auf besondere italienische Traditionen wie die der Glasmanufaktur. Es war oft eine besondere Leichtigkeit und Glamour um ihre Designs, dass sie wie ihre Stuhlserie „Locus solus“ in „Swimmingpool“ für einen filmreifen Auftritt taugten.