Nicholas Odhiambo Mboya, Utopia – Dystopia. Das Warten im Blick

Nicholas Odhiambo Mboya, Transit Point, 2023, Courtesy the artist, Foto: Charlotte Spiegelfeld
Review > Hamburg > Kunsthaus Hamburg
18. Oktober 2025
Text: Peter Boué

Nicholas Odhiambo Mboya: Utopia – Dystopia.

Kunsthaus Hamburg, Klosterwall 15, Hamburg.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 16. November 2025.

kunsthaus-hamburg.de

[— artline>Nord] Sechs Türen hängen im Kunsthaus Hamburg von der Decke herab. Türen aus unterschiedlichem Holz, mit eindeutigen Spuren jahrelangen Gebrauchs. Sie sind an Metallschienen aufgehängt, eine Hälfte der Türen im rechten Winkel zu der anderen. Mit lautstarkem Surren und Schleifen setzen sie sich in unterschiedliche Richtungen in Bewegung, mal einzeln oder zu zweit, mal gleich mehrere auf einmal. Auf den Schienen schieben sich die Türen, um dann zu verharren – bis andere Türen dieses fortsetzen. Das alles geschieht roh und unvermittelt, die Bewegung gibt keinen Aufschluss über ihre Bedeutung. Das Bild der Türen, die sich jederzeit öffnen oder schließen können nach Gesetzmäßigkeiten einer höheren Ordnung, gewinnt hier eine kafkaeske Dimension. Nicholas Odhiambo Mboya, der die raumgreifende Installation „Transit Point“ 2023 schuf, zielt damit aber auch auf das Wesen der Kommunikation – auf ihr Gelingen, ihre Dysfunktionalität und ihr Scheitern. Das Kunsthaus Hamburg widmet ihm jetzt eine Soloschau, Titel: „Utopia – Dystopia“.

Mboya, 1992 in Kenia geboren, hat in Kisumu und in Hamburg Kunst studiert, wo er aktuell auch lebt. Er spricht – von Swahili, Englisch und Deutsch abgesehen – weitere Sprachen wie Luo, Kikuyu und die in den Städten Kenias unter der Jugend sich ausbreitende Sprache Sheng. Nicht zuletzt dadurch ist sein bisheriges Werk oft von Sprache und Text beeinflusst, wie sich vor allem auf seinen Bildern im wörtlichen Sinn ablesen lässt. Als Bildträger für seine Malerei verwendet Nicholas Odhiambo Mboya auf Leinwand transferiertes Text- und Bildmaterial aus Zeitungen. Auf dem Großformat „Between hope and despair“ verbinden sich die farbig ausgeführten Personen mit dem Untergrund der Textfragmente, die von den anstehenden Wahlen 2022 erzählen. Wie auf vielen anderen seiner Bilder ist auch hier das Warten ein Thema – das Warten auf politische Veränderung, des Bleiberechts oder der individuellen Verfassung.

Weitere Themen, wie die Religionen und der Einfluss der Kirche in Kenia, kommen in anderen Malereien und Textbildern zum Tragen. Auch wenn Mboya mit seiner Arbeit oft die politische Lage in Kenia in den Blick nimmt, zielt er mit seiner Kunst zugleich immer auf Aspekte der diasporischen Existenz. Deutlich wird das nicht nur in den Themen seiner Malerei, sondern auch in seinen Rite-of-Passage-Zeichnungen, in denen er sich selbst auf Abschriften von Dokumenten aller Art gezeichnet hat. Auf poetische Weise macht Nicholas Odhiambo Mboya in seinen Arbeiten nachvollziehbar, dass der diasporische Zustand immer auch ein transitorischer ist.