Sasha Kurmaz: Contemplating the Empathy of Others. Halbwertzeit des Mitgefühls

Sasha Kurmaz, Contemplating the Empathy of Others, 2024 Ausstellungsansicht Stadtgalerie Künstlerhaus Lauenburg, Foto: Dirk Eisermann
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9. Januar 2025
Text: Peter Boué

Sasha Kurmaz: Contemplating the Empathy of Others.

Stadtgalerie Künstlerhaus Lauenburg,
Elbstraße 52/54, Lauenburg/ Elbe.
Donnerstag bis Sonntag 14.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 9. Februar 2025.

www.kuenstlerhaus-lauenburg.de

Sasha Kurmaz, Contemplating the Empathy of Others, 2024 Ausstellungsansicht Stadtgalerie Künstlerhaus Lauenburg, Foto: Dirk Eisermann
Sasha Kurmaz, Contemplating the Empathy of Others, 2024 Ausstellungsansicht Stadtgalerie Künstlerhaus Lauenburg, Foto: Dirk Eisermann
Sasha Kurmaz, Contemplating the Empathy of Others, 2024 Ausstellungsansicht Stadtgalerie Künstlerhaus Lauenburg, Foto: Dirk Eisermann

[— artline Nord] Ein schier endloses Band durchzieht die Räume, ein Bild neben dem anderen, ohne jeden Zwischenraum, ohne Halt und ohne Pause. Man sieht Zeichnungen, Skizzen, Zeitungsausrisse, handschriftliche Notizen – und immer wieder Fotos. Es sind Bilder der Zerstörung, primär von Häusern, verkohlt mit schweren Schäden von Raketeneinschlägen, dazu Bombenkrater, Schutt, Kabel, aufgerissene Erde. Und Tote, einzeln und in Gruppen, zusammengetragen, zerstückelt – die fragmentierten Körper, die das Fernsehen nicht zeigt. Die Ausstellung unterbricht die Serie „Red Horse“, diesen Fluss der fortwährenden Vernichtung, nur selten, um einige sehr groß abgezogene Bilder daraus zu zeigen. Die Collagen und Fragmente sind roh zusammengestellt, oft mit Tape auf abgerissenen Pappen und alle in denselben billigen Rahmen mit Klammern – als hätte sich die Zerstörung selbst in das Material eingeschrieben. Ein Musikstück der Komponistin Maryana Klochko wird, parallel gehört, zu einem Soundtrack des Unheilvollen.

Sasha Kurmaz lebt in Kyiv, wo er 1986 geboren wurde. Seine Arbeit als Künstler war schon immer dokumentarisch angelegt und einem gewissen Aktivismus nicht abgeneigt. So hat er in Fotoserien und Videofilmen bzw. Installationen die Korruption in seinem Land oder die Rechte der LGTBQ-Community thematisiert. Nach 2014 beschäftige er sich in seinen Arbeiten oft mit Übergriffen und der Einflussnahme Russlands. Der Ungerechtigkeit und ihren Gesichtern ist er bestrebt, mit radikalen künstlerischen Mitteln entgegenzutreten. In den letzten fünfzehn Jahren konnte er diesen Weg über zahlreiche Ausstellungen und Residencies in ganz Europa verfolgen. Die aktuelle Ausstellung beendet eine Residenz im Künstlerhaus Lauenburg, die er allerdings nicht antreten konnte, weil er keine Ausreisegenehmigung bekam. Erst 2023 war er Resident des Künstlerhauses Westwerk in Hamburg, wo er mit einer schwer zu ertragenden Installation seine Abschlussausstellung bestritt. Er überzog den gesamten Ausstellungsraum bis zur Decke mit roten, großen Zeichnungen und Texten, die den Krieg fühlbar machten und jede Art von Neutralität verurteilten. Daran knüpft er in Lauenburg jetzt mit der Ausstellung „Contemplating the Empathy of Others“ an. Der Titel bezieht sich in sarkastischer und unversöhnlicher Weise auf den Titel von Susan Sontags berühmtem Aufsatz „Regarding the Pain of Others“, der noch zu Beginn des Krieges oft zitiert wurde. Das Leiden anderer betrachten – Kurmaz stellt für die so Betroffenen die Frage, welche Halbwertzeit unsere Empathie besitzt, und zu welchem Zweck.