Maya Hottarek

Maya Hottarek, Waiting for Aquarius, 2021, Courtesy the artist & A.Romy Zürich / Genf
Porträt
16. September 2021
Text: Dietrich Roeschmann

Maya Hottarek bei A.Romy, Genf/Zürich, Liste – Art Fair Basel, Messe Basel, Halle 1.1.

Maya Hottarek, Eukaryota 1, 2019, Courtesy the artist & A.Romy Zürich / Genf
Maya Hottarek, Fire, 2016, Courtesy the artist & A.Romy Zürich / Genf

Im Videoporträt von Maya Hottarek (*1990), das das Kunsthaus Pasquart im vergangenen Jahr im Rahmen des Aeschlimann Corti Stipendiums produzierte, balanciert die Bieler Künstlerin im feuergelb-orangenen Gazekleid auf einer Leiter, die an einem Baum inmitten einer sommerlichen Wiese lehnt. In ihren Händen baumeln drei kopfgroße Keramiken an zerrupften Seilen. Eine nach der anderen knotet sie die Objekte, die sie „Eukaryots“ nennt, in die Äste, wo sie sanft im Wind schwingen. Sie erinnern an Epiphyten, überwuchert von Zotten und haarigen Büscheln, oder an verwesende Organe, aus deren gekappten Adern lange Fäden quillen wie zäher Schleim. Tatsächlich, könnte man sagen, materialisiert sich in ihnen die Idee der beständigen Transformation, die Maya Hottarek seit längerem beschäftigt. Schon während ihres Studiums an der BFH in Bern suchte sie Wege, dem Flüchtigen eine Form zu geben. Ein schönes Beispiel dafür sind ihre aus Ton gebrannten, leuchtend glasierten Lagerfeuer und Flammen in allen Größen von 2016. In der Videoarbeit „IG HUL“ (2018) konfrontierte sie dann die archaische Vorstellung des „bösen Blicks“ mit den nachhaltigen, aber schwer fassbaren Effekten von Social Media auf unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit und auf die physische Beschaffenheit dieser Wirklichkeit selbst. Alles, was wir tun hat Folgen – oder wie Hottarek in der mit Energy-Drinks vollgeladenen Installation „SUV“ (2018) bei einer Ausstelllung in Leipzig in Keramikbuchstaben als Bremsspur legte: „What goes out of the window comes back in the door“. Mit ihren jüngsten Arbeiten bezieht sich Hottarek so nicht zufällig auf die 1974 von Lynn Margulis formulierte Gaia-Hypothese, welche die Erde und ihre Biosphäre als eine Art Hyperorganismus beschreibt, dessen Teil wir sind. In der New-Age-Bewegung der Siebziger fiel diese ganzheitliche Perspektive auf die Welt auf fruchtbaren Boden, und auch in den aktuellen Diskussionen über die Herausforderungen des Anthropozäns spielt sie eine wichtige Rolle. Maya Hottarek greift die These in den „Eukaryots“ auf – nach Magulis sind Eukaryoten die kleinste und ursprünglichste Form aller Lebenwesen, die durch sexuelle Fortpflanzung entstehen – und lässt sie im Kunstraum zu posthumanen Organismen aus dem Grenzgebiet von Wissenschaft, Mythos, Esoterik und Humor mutieren.