Information (today): Politik der Datenströme

Marguerite Humeau, Riddles (Jaws), 2017–2021 / Laura Owens, Untitled [SMS +41 79 807 86 34], 2021, Installationssansicht Kunsthalle Basel, Foto: Philipp Hänger
Review > Basel > Kunsthalle Basel
28. August 2021
Text: Annette Hoffmann

Information (today).
Kunsthalle Basel, Steinenberg 7, Basel.
Dienstag, Mittwoch, Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.30 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 10. Oktober 2021.
www.kunsthallebasel.ch

Sondra Perry, IT’S IN THE GAME ‘18, 2018 / Simon Denny, Remainder 1 & 2, 2019, Installationssansicht Kunsthalle Basel, Foto: Philipp Hänger
Gabriel Kuri, Balance of the Invisible and the Foreseeable, 2014 / Laura Owens, Untitled [SMS +41 79 807 86 92], Untitled [SMS +41 79 807 86 29], 2021, Installationssansicht Kunsthalle Basel, Foto: Philipp Hänger

Es hätte nicht diese Seidenfoulards gebraucht, um in Margaret Thatcher die Machtpolitikerin zu erkennen, die sie nun einmal war. Sie sind gemustert mit Leopardenflecken, üppigsten Juwelen und dem Schriftzug des Wirtschaftsmagazins Forbes, umrahmt von Banknoten und einer Menge Kleingeld. Understatement geht anders. Simon Denny (*1982) dürfte auf der Londoner Auktion, auf der er vor mehreren Jahren einige dieser Tücher erstand, überzeugte Fans der Eisernen Lady als Konkurrenten gehabt haben. Wahrscheinlich wären sie entsetzt, könnten sie nun die beiden Schlafsäcke „Remainder“ sehen, die in der Ausstellung „Information (today)“ in der Kunsthalle Basel aufrecht stehen und Mumiensarkophagen ähneln. Denny ließ die Schals auf zwei Patagonia-Schlafsäcke nähen. Es sind nicht irgendwelche Schlafsäcke, es ist vielmehr die bevorzugte Marke der Elite des Silicon Valley. Für Simon Denny ist diese eine legitime Nachfahrin der Politik, für die Thatcher stand, die dem Markt freie Hand ließ und das Individuum über die Gesellschaft stellte. In Basel erinnern die Schlafsäcke an die vielen Obdachlosen in den USA und damit an das Versagen der Gesellschaft und der Wirtschaft, andererseits sind sie Stellvertreter für den untoten Kapitalismus. Zusammen mit dem Wirtschaftswissenschaftler Moritz Schularick hat Denny auf der Grundlage eines Diagramms, das die Entwicklung von Häuserpreisen zeigt, ein Non-Fugible Token entwickelt. Es wird zum Schluss der Ausstellung verkauft und der Erlös zwischen dem Kanton Basel-Stadt und der Kunsthalle Basel aufgeteilt. Man kann die Ökonomie also doch an die Kette legen.

Die Gruppenschau „Information (today)“ bezieht sich auf eine legendäre Ausstellung, die Kynaston L. McShine 1970 für das New Yorker MoMA kuratiert hatte. Die Schau stand unter dem Ruf, das Informationszeitalter vorausgesehen zu haben. McShine hingegen fand sie stärker von der Politisierung infolge des Vietnamkrieges geprägt als von den neuen technischen Möglichkeiten. Die Basler Ausstellung ist jedoch mehr als ein Update, vor allem teilt sie weitgehend den damaligen gesellschaftskritischen Anspruch. Der Zürcher Künstler Tobias Kaspar (*1984), der sich seit langem mit Mode und Marken befasst, hat über den Sonnenuntergang von „No Logo (Nike, Sunset)“ den charakteristischen Swoosh gelegt, auf einem anderen wird der Name des Künstlers selbst zur Marke. Künstlerinnen und Künstler wie Sung Tieu (*1987) und Alejandro Cesarco (*1975) führen Kriterien und Kategorien, mithin Hierarchisierungen vor, indem sie Fragebögen an japanische Einwanderer oder die Verschlagwortung der New Yorker Public Library publik machen.

Es sind die großen Themen unserer Zeit, um die es hier geht: Überwachung, Kapitalismus, Rassismus und Datenmissbrauch. Doch „Information (today)“ zeigt auch, dass Information in dieser Ausstellung selbst ein hohes Gut ist. Selbsterklärend sind nur wenige der 24 Arbeiten. Doch es braucht das Verständnis von Sachverhalten, um das politische Potential dieser Ausstellung nachzuvollziehen und damit die Qualität der Ausstellung umso mehr zu schätzen. Dann erweist sich etwa die Videoinstallation „It’s in the game“ von Sondra Perry (*1986) als Angriff auf die Usurpierung schwarzer Körper. Erzählt sie doch von ihrem Zwillingsbruder, der während des Studiums für eine Uni-Basketballmannschaft gespielt hat und von dem und einigen seiner Mannschaftskollegen ein Avatar für ein Sport-Videogame erstellt wurde, ohne dass er gefragt worden wäre oder er sein Einverständnis gegeben hätte. Die US-amerikanische Künstlerin parallelisiert diesen Übergriff mit der Präsentation von afrikanischer Kunst im Metropolitan Museum of Art und im British Museum. Man sieht, wie das Geschwisterpaar durch die Säle läuft, miteinander redet, die Exponate betrachtet und sie fotografiert. Im Anschluss drehen sich die Objekte als blaue 3D-Prints im virtuellen Raum des Videos um die eigene Achse. Während sich, was die Restitution angeht, Dinge bewegen, wurden die Athleten nicht entschädigt.