Jan Hostettler: SCHEITERN.
Kloster Schönthal, Schönthalstr. 158, Langenbruck.
Freitag 14.00 bis 17.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 13. Juni 2021.
www.schoenthal.ch
Der Melkstall könnte idyllischer nicht liegen, etwas abseits vom Klostergeschehen mitten in blühenden Wiesen mit summenden Bienen und weidenden Schafen. Für Jan Hostettler (*1988) war dieses Atelier 2020 nicht nur Ort der Ruhe, sondern auch Ausgangspunkt für Streifzüge in die Umgebung – fundamental für sein künstlerisches Schaffen. Davon erzählt ein ganzes Spektrum jüngst entstandener Plastiken, Bilder, Videos, Zeichnungen und Fotos. Etwas Sammelgut der Ausflüge liegt in einer Vitrine: ein Stein aus der Bauzeit der Abtei neben verkohlten Wildschweinzähnen, Köcherfliegenlarven und Silex. All diese Trouvaillen haben eine Verwandlung erfahren, sind verbrannt, verwittert oder versteinert. Einige werden im Malakt als pulverisierter Werkstoff vom Basler Künstler nochmals transformiert in grosse Gemälde, die auf ihren faktischen Ursprung zurückweisen. Mit Beinschwarz gemalt sind ein monumentales Knochenfragment und der Unterkiefer einer Wildsau, aus zerriebenem Tonpigment entstand das Bild eines Ziegels und aus Holzkohle gebunden mit Bienenwachs ein Holzscheit. Alles sind verbildlichte Fundstücke, die auf Hostettlers Reisen durch Raum und Zeit zurückgehen. Auch der Abguss seiner Füsse aus Blei und sein Wanderstab erinnern an sein Ausschweifen. Gehen, Wahrnehmen und Reflektieren hat eine lange Tradition, wie das Flanieren, das peripatetische Wandeln oder die Promenadologie des wohl bekanntesten Spaziergängers Lucius Burckhardt (1925-2003), der in Langenbruck gar eine Sommerresidenz hatte.
Was hat es mit dem Ausstellungstitel „Scheitern“ auf sich? Die Einladungskarte ziert eine Axt, die auf brachiale Handarbeit verweist. Abgebildet als Negativ und Stückwerk mutiert sie zum doppeldeutigen Bildmotiv. Der Begriff, ein Wortspiel mit dem althochdeutschen Wort scît für Scheit, berührt sowohl eine existentielle als auch eine materielle Dimension. Da ist einerseits das Risiko, das künstlerisches Arbeiten begleitet und andrerseits die stofflichen Belege dieser Tätigkeit. Die zentrale Installation, „Zusammen scheitern“ (2021), ein langgezogener Stapel aus rund 400 Holzstücken zieht sich diagonal durch den Innenraum der Klosterkirche hin zu einem Video mit fliegenden Funken eines Feuers. Was aussieht wie rötliche Buchenholzscheite, sind gebrannte Abgüsse von Holzstücken aus Ton. Ursprünglich hatte der Künstler ihre Herstellung mit Publikum, als gemeinsamen „Scheiteranlass“ geplant, was pandemiebedingt dann wortwörtlich scheiterte.
Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Exponate im Kirchenschiff öffnet sich ein vielschichtiges Geflecht, ein künstlerisches Konstrukt aus Verwandtschaften und Andeutungen, die Einblick in Hostettlers Denken geben. Weder Funkenflug noch Holzstapel sind echt, vielmehr legt der Künstler Zeit- und Bedeutungsschichten eines historischen Ortes frei, der einst zweckentfremdet, auch als Ziegelbrennerei und Stall genutzt wurde und betreibt damit eine Art künstlerische Archäologie. Die Holzstücke, bestimmt zum Feuermachen, bestehen aus Ton und sind selber aus einem Brand hervorgegangen.
Nicht nur hier werden Kreisläufe sichtbar, auch mit dem Video „Funken“ (2021), kleine aufglühende Punkte, die wie ein Meteoritenregen über den dunklen Bildschirm taumeln, kommt eine übergeordnete Dimension hinzu. Licht, Holz und Feuer, elementar für Existenz und Überleben der Menschen, erinnern an Kreisläufe und zeigen die Verwandlung von Materie auf, die Hostettler in seinen Arbeiten selber betreibt. Sein Sinnieren über die Zusammenhänge, von Menschheits- und Naturgeschichte wird im Abtsaal in einer Reihe von Bildkombinationen deutlich. Gefundene, gezeichnete Kleinigkeiten, lädt Hostettler mit Assoziationen auf, kombiniert sie mit aufgestöberten historischen Fotos. So öffnen sich Gedankenräume, die Zeitschichten und visuelle Erscheinungen verbinden.